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Cornel West – die philosophische Stimme Afroamerikas
Aus Sternstunde Philosophie vom 23.03.2014.
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Gesellschaft & Religion Cornel Wests Kritik an Obama spaltet die Afroamerikaner

Der afroamerikanische Philosoph Cornel West geht mit Präsident Obama hart ins Gericht. Seine Tiraden provozieren – und spalten die afroamerikanische Gemeinschaft, die den ersten schwarzen Präsidenten der USA zum Teil verunglimpft sieht.

Cornel West nimmt kein Blatt vor den Mund. Der afroamerikanische Philosoph schimpft Präsident Barack einen «Kriegsverbrecher» und tituliert ihn als «schwarzes Maskottchen der Wall Street Oligarchen». Und Wests Stimme hat Gewicht: 1953 in Oklahoma geboren, gilt er in den USA als intellektueller Star, der nicht nur an den Elite-Universitäten Yale, Princeton und Harvard Professuren bekleidete, sondern auch ein beliebter Gast in Talkshows ist.

Vom Wahlhelfer zum harschen Kritiker

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Cornel Wests Kritik an Präsident Barack Obama
Aus Sternstunde Philosophie vom 23.03.2014.
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Wests unverblümte Kritik überrascht insofern, als er sich 2008 noch als Wahlkampfhelfer für den ersten schwarzen Präsidenten der USA ins Zeug legte und gemeinsam mit Obama zahlreiche Veranstaltungen bestritt. Doch Obama verrate zunehmend das Vermächtnis von Martin Luther King, das für Gerechtigkeit und Frieden stehe, sagte West in der «Sternstunde Philosophie». Der Philosoph teilt die Einschätzung der afroamerikanischen Juristin Michelle Alexander, dass in den USA schleichend ein «neuer Jim Crow» Einzug gehalten habe.

Institutioneller Rassismus

Als «Jim Crow» werden in den USA jene Gesetze bezeichnet, welche die strikte Rassentrennung vorschrieben und 1964 offiziell aufgehoben wurden. Zwar seien entsprechende Gesetze heute per Verfassung verboten, doch institutionell sei die Rassendiskriminierung nicht überwunden.

Der «neue Jim Crow» zeigt sich Cornel West zufolge beispielsweise darin, dass in den Gefängnissen überdurchschnittlich viele schwarze Menschen und Latinos festgehalten werden. Die in New York geltende «stop and frisk»-Politik erlaubt es Polizisten überdies, Menschen anzuhalten und zu durchsuchen, etwa bei Verdacht auf Besitz selbst von weichen Drogen. Dabei würden sehr viel mehr dunkelhäutige Menschen durchsucht und verhaftet. Ihre schlechtere ökonomische Position erschwert ihre Situation: Sie können sich einen Anwalt oft nicht leisten.

Geht Cornel West zu weit?

Buchhinweise:

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Cornel Wests Buch «Race Matters» (1993) gilt bis heute als zentrales Manifest für den Kampf für Gleichberechtigung der Afroamerikaner im 21. Jh. Mehr zu seinen Werken gibts auf der Homepage von Cornel West.

Michelle Alexanders Buch «The New Jim Crow» (2012) über die zunehmende Masseninhaftierung der Afroamerikander wird in den USA heiss diskutiert.

Den Eindruck eines «neuen Jim Crow» teilt auch Renée Rousseau. Rousseau präsidierte bis vor Kurzem die «Democrats abroad German Region». Cornel Wests Analysen und insbesondere sein Buch «Race Matters» (1993), aufgrund dessen ihn der damalige Präsident Bill Clinton ins Weisse Haus einlud, ist für Rousseau wie für viele Afroamerikanerinnen und -amerikaner für ihr Selbstverständnis und ihre Politisierung grundlegend.

Sie habe von Brother West sehr viel gelernt, sagt Rousseau. Dennoch sei sie von ihm enttäuscht: «Er geht mit seiner Kritik klar zu weit.» Barack Obama ist und bleibe «ihr Präsident», so die überzeugte Demokratin. Ihr vormaliges Idol übersehe, dass Obama wegen der Blockaden im Kongress in vielen Fragen die Hände gebunden seien. Da nahezu 95% der Afroamerikaner demokratisch wählen und mit der Figur Obamas nach wie vor grosse Hoffnungen verbinden, steht sie mit ihrer Meinung nicht allein.

Persönliche Beleidigung als Motiv

Rousseau wirft West ausserdem vor, seine Kritik sei in erster Linie persönlich motiviert. Entsprechende Vorwürfe kursieren auch im Netz. So schreibt etwa David Dennis im Guardian online, West habe es nicht verwunden, dass er zu Obamas Inauguration nur ein Ticket erhalten habe, obwohl er auch seine Mutter und seinen Bruder hätte mitnehmen wollen.

Dass Cornel West in seiner Einschätzung von Obamas Politik nicht mehr Zurückhaltung zeige, habe nichts zu tun mit persönlichen Empfindlichkeiten, sagt dagegen Miriam Strube, Professorin für Amerikanistik an der Universität Paderborn. Sie kennt Cornel West seit Jahren. Seine philosophische Heimat, der Pragmatismus, und sein tiefer Glaube haben ihn zum überzeugten Weltverbesserer gemacht. «Wenn Cornel Unrecht erkennt, das andere absichtlich negieren, kann er kompromisslos sein», so Strube. Philosophie mache für ihn nur Sinn, wenn sie zum Engagement für die Unterdrückten führe. Und wenn es um mehr Gerechtigkeit gehe, kämpfe er eben mit harten Bandagen. Um persönliche Eitelkeiten gehe es ihm dabei jedoch nie.

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