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Dani McClain zu Obama
Aus Kultur Extras vom 27.12.2016.
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Barack Obamas Rede Dani McClain: «Kurz nach der Wahl habe ich meinen Job gekündigt»

«Yes, we can» war der Wahlkampfslogan Obamas 2008. Acht Jahre später fragt sich die Journalistin und Aktivistin Dani McClain, wer dieses amerikanische «Wir» denn sei, das damals mit diesen drei Worten beschworen wurde.

Neun Menschen erinnern sich

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Wir blicken zurück auf die historische Siegesrede von Barack Obama. Es kommen Zeitzeugen zu Wort, die erzählen, was aus diesen Worten geworden ist.

Dani McClain kommt gleich zur Sache. Ohne grosse Umschweife vergleicht sie die Wahl Obamas 2008 mit der Wahl von Trump 2016.

«Dieses Gefühl, was nun alles möglich sein könnte, das war damals so präsent bei allen, die Obama unterstützt hatten. Doch jetzt scheint mir, als sei alles viel länger her als acht Jahre, seit dieser Rede im Grant Park. Jetzt befinden wir uns ganz woanders in diesem Land.» Der Trump-Schock sitzt tief.

Ohio – ein Swing State

Wir treffen Dani McClain in Cincinnati, einer der wichtigen Handelsstädte in Ohio, einem der Swing-States, die 2016 für Donald Trump, 2008 aber für Barack Obama gestimmt hatten. Dani McClain erinnert sich, wie überrascht und stolz sie war, als sie die Wahlergebnisse über die Bildschirme flimmerten. «Ich schrieb für den ‘Milwaukee Journal Sentinel‘ und verfolgte Obamas Rede im Newsroom.»

«Während der Rede beginnen die Menschen irgendwann zu skandieren. ‹Yes, we can›, immer wieder ‹Yes, we can›», erzählt Dani McClain. «Inzwischen frage ich mich aber, wer ist dieses amerikanische Wir eigentlich? Wen meinen wir, wenn wir ‹Wir› sagen. Die letzte Wahl hat doch deutlich gezeigt, dass es viele Leute gibt, die nicht Teil eines multikulturellen ‹Wir› in diesem Land sein wollen. Die das nicht interessiert, sondern sogar bedroht.»

Die grosse Ernüchterung

Dani McClain

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Dani McClain ist Journalistin und Aktivistin. 2008 war sie Redakteurin für den «Milwaukee Journal Sentinel», begann aber nach der Wahl Obamas als Mediensprecherin für die Bürgerrechtsorganisation «Color Of Change» zu arbeiten, einer der wichtigsten NGOs für afro-amerikanische Politik. Sie schreibt regelmässig über Gender- und Rassenfragen.

Sie sagt das nachdenklich, trocken. Ohne Traurigkeit. Ich frage Dani McClain, ob sie den fundamentalen Widerstand gegen Obamas Person und Politik erwartet habe. Sie wiederholt die Frage: «Ob ich den Widerstand erwartet habe?» – und macht dann eine Pause.

Diesen Widerstand wollte in der Euphorie des Wahlsiegs niemand sehen. Barack Obama, die Lichtgestalt, die Projektionsfläche für alle, die sich nach einer anderen Welt sehnen, fegte alle Zweifel hinweg, auch alle realistischen Einschätzungen, was ein US-Präsident, was etablierte Politik überhaupt noch leisten kann. Die Ernüchterung kam dann später.

«Ja, ich habe diesen Widerstand erwartet. Ich habe kurz nach der Wahl bei der Zeitung gekündigt und begonnen, für die Bürgerrechtsorganisation ‹Colour of Change› zu arbeiten, weil ich eine Gegenreaktion erwartet habe und mich auf künftige Auseinandersetzungen vorbereiten wollte», erläutert Dani McClain. Und äussert dabei Skepsis, ob das Weisse Haus überhaupt in der Lage wäre, auf bestimmte Formen von Rassismus zu antworten: «Es braucht organisierte Anstrengungen, um gegen diesen Backlash, diesen Rückschlag anzukämpfen.»

Trump, der Anti-Obama

Barack Obamas historische Rede

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Die Amtszeit von US-Präsident Obama neigt sich dem Ende zu. Wir blicken zurück auf den Tag seiner Wahl, den 4. November 2008. An diesem Abend hielt er seine historische Siegesrede. Diese Rede bewegte nicht nur die 240'000 Zuhörer im Grant Park in Chicago, sondern auch Millionen von Menschen auf der ganzen Welt.

Die Rede im Wortlaut

Und der liess nicht lange auf sich warten. Einer der Protagonisten im Kampf gegen einen afro-amerikanischen Präsidenten war damals Donald Trump, der eine landesweite Gegenkampagne lancierte und behauptete, Barack Obama sei gar nicht in den USA geboren und deshalb illegal Präsident geworden.

«Ein afro-amerikanischer Präsident, das war für viele in der weissen Mehrheitsgesellschaft eine Provokation», erläutert Dani McClain. «Und damit meine ich nicht Mitglieder des Ku-Klux-Klans, Neo-Nazis oder andere Ultra-Rechte. Ich meine damit ganz normale Leute, die sich selbst niemals als Rassisten bezeichnen würden, die aber ganz selbstverständlich der Meinung sind, dass die USA ein Land der Weissen ist und deshalb bestimmte Machtpositionen, vor allem die Präsidentschaft, in weisser Hand bleiben sollten.»

Obama braucht Hilfe

Dabei wollte Barack Obama kein Präsident für «Schwarze» sein, er wollte politische Grabenkämpfe vermeiden. Und als ob er den immensen Widerstand gegen seine Person bereits ahnen würde, ging er in seiner Siegesrede auf seine Gegner zu: «Ich habe heute vielleicht nicht eure Stimme erhalten, aber ich höre euren Ruf. Ich brauche eure Hilfe. Und ich werde auch euer Präsident sein.»

«Damit wollte er vielleicht ihre Ängste mindern, denn er wusste, wie stark die Opposition sein würde. Und gleichzeitig will er seine Unterstützer auf die Kämpfe vorbereiten, die nun folgen würden», erklärt Dani McClain Obamas Geste der Annäherung.

Genutzt hat es nichts. Obamas Visionen gingen im teilweise rassistischen Widerstand gegen seine Politik unter. Und das amerikanische Polit-Pendel schlug bei der Wahl 2016 in die andere Richtung aus.

«Yes, we can?»

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