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Das Tier und wir Geographie der Fleischberge

Die «Monde diplomatique»-Atlanten sind um einen Band reicher. Diesmal erklären uns die Tausendsassas der Illustrationen, woher das Soja im Magen unserer Kühe stammt, warum weltweit so viel Hühnchen gegessen wird und weshalb das eingeschweisste Steak stets rosa ist. Die Lektüre ist deftige Kost.

Ein wirklicher «Atlas» ist es nicht geworden. Anstelle von geographischen Karten, Bergreliefs und Topographien bietet das neuste Werk der «Monde diplomatique»-Sonderhefte vor allem bunte Diagramme und Schemen und sehr viel Text. Das glückliche Gefühl, das einen befällt, wenn man einen herkömmlichen Atlas durchblättert und darin fremd klingende Städte, Länder und Seen zu Landschaften ordnen kann, bleibt jedoch aus.

Der «Fleischatlas», den «Monde diplomatique» gemeinsam mit der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland kürzlich herausgegeben hat, ist mit seinen 52 Seiten deshalb weniger ein Atlas denn eine illustrierte Artikelsammlung zum Thema Fleischkonsum. Seine Lektüre ist deftige Kost.

Schlachthof, ungeschminkt

Da ist beispielsweise der Bericht über «deutsches Dumping-Schlachten»: Wanderarbeiter aus dem Osten erlegen in deutschen Mastanlagen Tiere im Akkord. Oder man liest von Sexualhormonen, die «leere Sauen» verhindern, sprich dafür sorgen, dass Schweine drei Wochen nach einem Wurf wieder trächtig werden und Frischfleisch produzieren.

Denn Frischfleisch ist, wie ein weiteres Kapitel belegt, gefragt: Nicht nur das Bevölkerungswachstum lässt die Fleischnachfrage weiter nach oben schnellen. Die Urbanisierung geht in vielen Regionen der Welt – allen voran in den BRIC-Staaten – auch mit einer «Non-veg»-Bewegung einher.

Obwohl die vegetarische Ernährungsweise beispielsweise in Indien kulturell tief verwurzelt ist, ist «Non-Veg» in weiten Teilen der indischen Bevölkerung zum Statussysmbol geworden. Während hierzulande gerade in Städten Veganer als Trendsetter gelten, ist in vielen Ländern der Welt die Nachfrage nach tierischen Produkten kaum zu bremsen. Weshalb der «Labor-Burger» diese Nachfrage nicht decken kann, zeigt ein weiterer Beitrag zum Thema «gute Lebensmittel».

«Labor-Burger» ist keine Lösung

2013 machte ein Londoner Labor von sich reden, weil es einen Burger präsentierte, der in einer Petrischale aus tierischen Zellen gezüchtet wurde. Die Idee des Zuchtfleisches ist, dem Konsumenten tierisches Protein und das Geschmackserlebnis von Fleisch zu bieten, ohne Tier und Umwelt zu belasten.

Doch abgesehen von den immensen Produktionskosten – der «Labor-Burger» kostete in der Herstellung 250'000 US Dollar – liessen solche Zukunftsszenarien ausser Acht, dass Tiere eine wichtige Funktion im Ökosystem einnehmen, schreiben die Autoren des «Fleischatlas». Ein nachhaltiger Konsum und eine ökologische Landwirtschaft halten sie für erfolgsversprechender.

Eines ist nach dem Lesen des Heftes allerdings klar: Der amerikanische Philosoph Henry David Thoreau hatte nicht recht, als er im 19. Jahrhundert schrieb: «Ich hege keinen Zweifel darüber, dass es ein Schicksal des Menschengeschlechts ist, im Verlaufe seiner allmählichen Entwicklung, das Essen von Tieren hinter sich zu lassen.» Nimmt man die ganze Welt in den Blick, scheint eher das Gegenteil der Fall.

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