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Gesellschaft & Religion «Die Gier zügeln»

Während sich die Wirtschaftselite am World Economic Forum in Davos trifft, neue Strategien entwickelt und lukrative Geschäfte einfädelt, denkt der Wirtschaftsethiker Karl-Heinz Brodbeck über «die Verblendung des Geistes» nach und darüber, dass Geld eine kollektive Illusion sei.

Karl-Heinz Brodbeck ist Buddhist, war jahrelang Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg und ein grosser Kritiker der heutigen Wirtschaftsform. Wie passt das alles zusammen? Kein Problem für den Mann, der sich auch als Autor von zahlreichen Büchern zu ethischen Themen einen Namen gemacht hat.Der Buddhismus sei nicht wirtschaftsfeindlich, betont er und fügt an: «Handel treiben, Güter herstellen, kaufen und verkaufen, das ist eine vernünftige Form des Wirtschaftens.»

Geld als Zahlungsmittel zu verwenden, ist für den Ethiker kein Problem, solange es in einem vernünftigen Rahmen geschehe. Was sich aber in den letzten Jahrzenten entwickelt habe, habe nichts mehr mit Vernunft zu tun.

Das Geistesgift im Buddhismus

Die Gier habe die Wirtschaft vergiftet, beschreibt der Ökonom den Grund allen Übels. Gier, Verblendung und Hass seien die drei Geistesgifte im Buddhismus. «Man legt nur noch Wert auf Besitz und Eigentum und baut so das Ich-Territorium auf.» Man wolle reich sein, doch es ist nie genug. Das führe zur Geldgier. Da aber ganz viele geldgierig seien, begegne man sich auf dem Markt und trete in einen Konkurrenzkampf gegeneinander. Der hat zur Folge, dass es Gewinner und Verlierer gibt. Man wirtschaftet nicht miteinander, sondern gegeneinander.

Homo oeconomicus?

Buchhinweis

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Karl-Heinz Brodbeck: «Buddhistische Wirtschaftsethik», edition steinrich, 2011

Rivalität und das Streben nach mehr liegen nun mal in der Natur des Menschen. Diese Entschuldigung für die menschliche Gier würden Gegner seiner Theorie immer wieder anführen, doch habe sie weder Hand noch Fuss. Zu jeder Zeit habe es Menschen gegeben, die selbstlos gehandelt haben, weil für sie die Gemeinschaft und Freundschaft wichtiger waren, als alle Güter der Welt. Es gebe nicht einfach die Natur des Menschen. Alles, was wir tun sei angelernt, sei eine dumme Gewohnheit, die man wieder ändern könne, verteidigt er seine Anschauung. Dafür brauche es ein Umdenken, neue Werte und ein neues Denksystem.

Vom Katholiken zum Buddhisten

Dieses neue Denksystem hat der 1948 geborene Karl-Heinz Brodbeck im Buddhismus gefunden. Aufgewachsen in einem katholischen Elternhaus, bekam er keine zufriedenstellenden Antworten auf seine Fragen. Er war enttäuscht von der Kirche, wurde Atheist, bis er später die buddhistische Philosophie entdeckte. Darin fand er Antworten auf seine Kritik gegenüber dem heutigen Wirtschaftssystem, und er entwickelte eine buddhistische Wirtschaftsethik. Grundlage für ein gerechtes Wirtschaftssystem sei das Mitgefühl. Nur wer mit anderen Menschen und Tieren mitfühle und begreife, dass wir alle von irgendetwas abhängig sind. Nur wer das verstehe, könne verantwortungsvoll handeln.

Kein Denkgefängnis

«Wir brauchen alle Luft zum Atmen, Wasser zum Trinken, also müssen wir auf unsere Umwelt Rücksicht nehmen», sagt der Ökonom, fast ungläubig, dass das nicht für alle logisch ist. Ökologisches Denken und Handeln seien in der Wirtschaft dringend nötig, mahnt der Ethiker. Und dabei liessen sich immer noch Gewinne erzielen, was verschiedene Unternehmen beweisen würden. Die buddhistische Lehre wettere nicht gegen Gewinne, doch sollten diese in einem vernünftigen Rahmen sein.

Sitzender goldener Buddha, fotografiert in Sri Lanka.
Legende: Sitzender Buddha, 23. Januar 2013 in Kelaniya, Sri Lanka. Keystone

«Wenn jemand eine gute Idee hat, viel dafür arbeitet und etwas entwickelt, das den Menschen dient, soll er dafür auch  einen guten Lohn erhalten.»

Der Buddhismus sei kein Sozialismus, wo alle gleich viel verdienen sollen. Zwar gehe es auch im Buddhismus um Gerechtigkeit, nicht aber um Gleichmacherei. Ein Patentrezept für ein neues Wirtschaftssystem hat Karl-Heinz Brodbeck aber keineswegs. Das will er auch nicht. Denn das Selber-Denken sei wichtig. Nur wer sich im Denken frei bewegen könne, könne sich entwickeln und etwas zum gemeinschaftlichen Wohl beitragen.

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