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Gesellschaft & Religion Ecuadors Präsident und sein Spiel mit der Meinungsfreiheit

Der ecuadorianische Präsident Rafael Correa präsentiert sich gerne als Hüter der Meinungsfreiheit, soeben gewährte er dem Whistleblower Snowden politisches Asyl. Dabei sollte er in seinem eigenen Land für Pressefreiheit sorgen. Ein Interview mit Christian Mihr von «Reporter ohne Grenzen».

Ecuadors Präsident Rafael Correa lässt sich als Verteidiger der Meinungsfreiheit feiern. Wie steht es denn um die Presse- und Meinungsfreiheit im Land?

Christian Mihr, Geschäftsführer der Organisation «Reporter ohne Grenzen»: Wir beobachten die Entwicklung der Pressefreiheit in Ecuador mit grosser Sorge. Seit dem Amtsantritt von Rafael Correa hat sich die Lage von unabhängigen Journalisten kontinuierlich verschlechtert, so dass sich Ecuador mittlerweile auf Platz 119 von 179 Plätzen auf der Rangliste der Pressefreiheit befindet.

Können Sie konkrete Beispiele für die Verschlechterung nennen?

Ein Fall, der sehr bekannt geworden ist, ist der des «Universo»-Kolumnisten Emilio Palacio. (Anm. d. Red.: Er wurde wegen Verleumdung zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt.) Er floh in die USA, da wurde ihm politisches Asyl gewährt. Einige seiner Kollegen von der Zeitung «Universo» wurden ebenfalls mit Haftstrafen oder Entschädigungsurteilen in Millionenhöhe angegriffen. Ausserdem wurde im vergangenen Jahr nach langer Zeit erstmals wieder der Tod eines Journalisten registriert, der offenbar wegen seiner journalistischen Arbeit getötet wurde.

Präsident Correa hat in der letzten Woche ein neues Pressegesetz verabschieden lassen. Was halten Sie von diesem Gesetz?

Wir sehen das sehr zwiespältig. Auf dem Papier verbietet es zwar jede Vorabzensur durch die Regierung oder Behörden, garantiert sogar eine Vertraulichkeit von Quellen und auch für die Arbeit von Journalisten, aber es sind viele bedenkliche Punkte drin: Zum einen werden Medien zu einer verifizierten, ausgewogenen und kontextualisierten Information verpflichtet, aber es wir nicht definiert, was das bedeutet. Ein zweiter Punkt ist, dass Information jetzt als öffentliches Gut bezeichnet wird. Damit wird der staatlichen Regulierung im Prinzip Tür und Tor geöffnet. Und ein letzter Punkt ist, dass in Zukunft «mediale Lynchjustiz» verboten ist, was auch heisst, dass Berichte über Korruption und Behördenversagen künftig unter Strafe stehen. Das bedeutet eine sehr enge Verquickung zwischen Wirtschaft und Politik.

Audio
Christian Mihr von «Reporter ohne Grenzen» über die Pressefreiheit in Ecuador
aus Kultur kompakt vom 25.06.2013.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 42 Sekunden.

Ist Ecuador in der Einschränkung der Pressefreiheit ein Einzelfall oder ist es in anderen lateinamerikanischen Ländern ähnlich?

In Venezuela haben unter Hugo Chávez massive Beschneidungen der Freiheit für unabhängige Journalisten stattgefunden, auch unter seinem Nachfolger Maduro. Der venezuelanische Präsident kann zum Beispiel exklusiv in allen Sendern auftreten, so wie Correa in Ecuador übrigens auch. In Argentinien gibt es mittlerweile einen starken Einfluss auf den Rundfunk. Ecuador ist insofern kein Einzelfall. Aber Correa versucht sich als Vorreiter der Pressefreiheit zu inszenieren und Ecuador ist durch die Fälle von Snowden und Assange besonders prominent.

Macht Correa das aus Imagegründen, oder um den USA eins auszuwischen?

Beides. Ecuador und ganz Lateinamerika wird immer mit einer gewissen romantischen Ader betrachtet. Und wenn da Präsidenten wie Correa, Maduro und Chávez versuchen, «links sein» neu zu definieren, so eignet sich das für gewisse Romantiken. Es ist eine Mischung aus Inszenierung als Hüter der Pressefreiheit, aber auch ganz klar ein Stich gegen die USA – was nicht heisst, dass man auch in den USA nicht vieles kritisieren kann, Stichwort PRISM.

Das könnte die Motivation von Snowden oder Assange sein, sich in die Hände von einem Rafael Correa zu begeben? Ist das nicht ein Widerspruch?

Wenn man es von aussen betrachtet sicherlich schon. Ich kenne Snowden nicht persönlich, aber ich denke, Snowden ist vermutlich erst mal dankbar für einen Ort, an den er gehen kann.

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