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Gesellschaft & Religion «Eine absolute Katastrophe»: Milena Moser über die Wahl von Trump

Schriftstellerin Milena Moser lebt seit drei Jahren in New Mexico. Dieser Bundesstaat hat Hillary Clinton gewählt. Neuer US-Präsident geworden ist aber ein anderer: Donald Trump. Ein Schock – auch für die Schweizerin.

Sie leben im Land von Donald Trump. Wie geht es Ihnen heute?

Milena Moser: Ich habe bis zuletzt nicht geglaubt, dass ich im Lande von Donald Trump lebe. Ich habe bis heute nie jemanden getroffen, der Trump unterstützt. Aber seit heute lebe ich im Lande von Donald Trump.

Milena Moser

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In Zürich geboren, zieht Milena Moser («Die Putzfraueninsel») 1998 mit ihrer Familie für acht Jahre nach Kalifornien. Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz gründet sie eine Schreibschule. Seit 2015 lebt Milena Moser wieder in den USA – jetzt in Santa Fé im Bundesstaat New Mexico.

Wie kann sein, dass nicht nur Sie, sondern ganz viele Menschen sich getäuscht haben?

Mein Taxifahrer gestern hat gesagt: Die Leute sind einfach zu dumm hier. Aber das ist zu einfach. Ich glaube, wir haben unterschätzt, wie tief die Verunsicherung der Leute sitzt. Die Verbitterung. Die Angst, dass ihnen etwas weggenommen wird. Dass nicht genug für alle da ist.

Amerika ist ja in ganz vielen Bereichen ein Drittweltland. Was die Schulbildung betrifft oder die Krankenversorgung. Da kann man schon Angst bekommen, und das Bedürfnis nach Sündenböcken ist gross. Das Bedürfnis nach einem starken Mann, der sagt: «Ich hole euch da raus.»

Das erinnert fatal an Deutschland zwischen den beiden Weltkriegen.

Sie sind Schriftstellerin. Haben Sie auch Reaktionen von anderen Kulturschaffenden mitbekommen?

Die Kulturschaffenden hier haben alles versucht. Nur ist das, wie wenn man die Gläubigen bekehren will. All diese Karikaturen, die Ausstellungen und Aktionen: Das kommt bei denen, die es angeht, nicht gut an. Da machen die mit, die schon gegen Trump sind.

Das ist keine gute Bilanz für die Kultur.

Aber eine ehrliche Bilanz. Die Frage ist doch: Wie erreicht man die Leute, die es wirklich angeht? Wirklich geholfen hätte, wenn man die Leute nicht so von oben herab behandelt hätte. Wenn man herauszufinden versucht hätte: Was macht sie so wütend? Was macht sie so gefährlich? Warum sind sie so ungebildet?

Man muss die Wurzeln behandeln. Man kann nicht einfach sagen: «Wir haben es ja immer schon gewusst, die Amis sind einfach doof.» Ich erlebe sie zumindest nicht so.

Wie wird sich das kulturelle Leben im Land von Donald Trump verändern?

Dieser Schock geht durch alles hindurch. Der wird sich entladen müssen – und lieber kulturell als in gewalttätigen Aktionen.

Es wird Proteste geben. Die Kulturschaffenden werden das aufgreifen – auch solche, die bisher vielleicht nicht politisch gearbeitet haben.

Wie hat sich Ihr Blick während der letzten Monate auf Ihre Wahlheimat verändert?

Das ist ja das Absurde, das Erschreckende: In meinem Leben, in meinem Umfeld hat sich nichts verändert. Ich bin nicht hier aufgewachsen und habe gemerkt, dass meine Freunde in Wirklichkeit ganz anders denken.

Aber als Ausländerin ohne Arbeitsvisum habe ich einen relativ instabilen Status – ich bin mit einem Journalistenvisum hier.

Was bedeutet die Wahl von Donald Trump für Sie als Frau?

Es ist eine Katastrophe, eine absolute Katastrophe: für mich als Frau und als Ausländerin. Das Einzige, was für mich spricht, ist, dass ich eine weisse Hautfarbe habe. Gott sei Dank bin ich bin aus dem Alter heraus, in dem Geburtenkontrolle und Abtreibung ein Thema sind.

Aber es geht ja nicht um mich. Es geht um die Frauen im Allgemeinen. Da ist man mindestens um 50 Jahre zurückgeworfen. Das wird Proteste geben. Und bei diesem Thema ich werde mich engagieren.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 9.11.2017, 17:15 Uhr

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