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Einwanderer in New York Ein Haus erzählt von seinen 7000 Bewohnern

Wie haben Einwanderer New York City beeinflusst? Ein New Yorker Museum stellt sich diese Frage nicht nur in Bezug auf längst vergangene Zeiten. Deshalb weitet das Tenement seine Ausstellung aus – auch online.

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Tenement-Museum erzählt die Geschichte von Einwanderern, die zwischen 1863 und 1935 in New York City lebten.
  • Neu will das Tenement auch jüngere Einwanderergeschichten dokumentieren wie z. B. die Geschichten von drei Familien, die zwischen 1950 und 1980 hier lebten.
  • Um zu zeigen, welche Zuwanderer das Land heute prägen, hat das Tenement das Online-Projekt «Your Story/Our Story» gestartet. Darin werden aktuelle Migrationsgeschichten gesammelt.

Das Tenement-Museum

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Das Tenement-Museum ist ein typischen New Yorker Mietshaus, 1863 erbaut. 1935 wurden die oberen Etagen geschlossen, da das Haus die feuerpolizeilichen Anforderungen nicht mehr erfüllte.

Über 50 Jahre später wurden die Gründerinnen des Tenement-Museums auf das Gebäude aufmerksam. Das Museum recherchierte die Geschichten der Bewohner dieses Hauses.

Ein Museum erzählt von damals und heute

«Sie haben im Empfangszentrum auf Ellis Island alle Gesundheitstests bestanden und gehen nun in Manhattan an Land. Wo gehen Sie hin?», die Frage kommt von der Tour-Führerin, die ihre Gruppe vor einem typischen alten New Yorker Mietshaus, Tenement genannt, in Empfang genommen hat.

Die Antwort ist naheliegend: Dahin, wo Bekannte leben – oder man geht einfach los und sucht dort Unterschlupf, wo es sich vertraut anfühlt.

Viele Menschen flohen vor Hunger und Armut

Fast 7000 Migranten – Deutsche, Italiener, Iren, Juden – sind mehr oder weniger auf diesem Weg in dem Tenement in der Lower East Side gelandet, wie Historiker des Museums recherchiert haben. Im Haus, wo sie alle zwischen 1863 und 1935 eine Zeit lang lebten, werden heute ihre Lebens- und Migrationsgeschichten erzählt.

Wer ins Tenement-Museum will, muss eine Tour buchen. Zum Beispiel «Irish Outsiders». Im Zentrum steht eine junge Frau, die um das Jahr 1850 mit grosser Wahrscheinlichkeit wegen der grossen Hungerkrise (Kartoffelfäule) in Irland ausgewandert ist. Sie hat sich wohl – wie so viele – in Amerika neues Glück erhofft.

Backsteinhäuser mit Feuertreppen an den Aussenfassaden
Legende: Das Tenement-Museum befindet sich im oberen Stock eines Wohnhauses an der Orchard Street. Tenement/Keiko Niwa

Welt- und Quartiergeschichte in der Küche

Die Tour startet im Hinterhof, bei den Klos und dem einzigen Wasseranschluss des Hauses. Ein Luxus damals!

Dann geht es vier Stockwerke hoch. In einer kleinen Küche will die Führerin von ihren 15 Tourgästen wissen: «Sie haben drei Kinder, einen brandheissen Küchenherd und müssen Wasser holen im Hof. Was machen Sie?»

Es wird klar: In der Fremde ist man auf Freunde angewiesen – oder mindestens auf gute Nachbarschaft. All diese Treppen, mehrmals täglich, mit schweren Wassereimern: Die damaligen Lebensumstände werden im Tenement-Museum nachvollziehbar.

Die Tour-Führerin erzählt vom Quartier, in dem traditionell die Bekleidungsindustrie angesiedelt war. Sie bettet die Ereignisse immer wieder historisch ein, zeigt Auszüge aus amtlichen Dokumenten und Zeitungen und sie erläutert die Schlüsse, die die Historiker daraus gezogen haben.

Wer prägt das Land heute mit?

Neu will das Tenement auch jüngere Einwanderergeschichten dokumentieren. Der neue Museumsteil – oder besser: die neue Wohnung – befindet sich in der gleichen Strasse, drei Häuser weiter. Eröffnung ist am 1. November.

Es werden die Geschichten von drei Familien erzählt, die während der 1950er- bis 1980er-Jahren hier lebten. Bei einer Familie handelte es sich um Holocaustüberlebende, eine Familie kam aus Puerto Rico und eine aus Hongkong.

Einwanderergeschichten online

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Legende: Tenement/Keiko Niwa

Das Tenement Museum hat das Online-Projekt «Your Story/Our Story» ins Leben gerufen. Es dokumentiert Migrationsgeschichten von Menschen weltweit.

Das Tenement expandiert – auch im Netz

Die Ausstellungen werden anders sein als die bestehenden, sagt die Verantwortliche, Annie Polland. Die Menschen, deren Geschichten hier erzählt werden, würden zum Teil noch leben: «Wir können uns auf viel mehr Daten stützen. Nicht zuletzt auf Fotos und Erzählungen.»

Der neue Museumsteil muss aber auch mit weniger Raum auskommen. So werden die drei Immigrationsgeschichten in einer Wohnung erzählt, was nicht zuletzt an den horrenden Immobilien-Preisen in New-York-City liege, sagt Polland.

Um der Gegenwart noch näher zu kommen und auch aufzuzeigen, welche Zuwanderer das Land heute prägen, hat das Tenement zudem im Netz expandiert.

Im Online-Projekt «Your Story/Our Story» werden Migrationsgeschichten weit über die Grenzen von New York City hinaus gesammelt. Mit dem Ziel, dem abstrakten Thema Migration ein konkretes Gesicht zu geben. Oder wie Polland es sagt: «Um zu zeigen, wer das Land auch in Zukunft mitformen wird.»

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 31.10.2017, 17.02 Uhr

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