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Gedankenexperiment Gavagai «Wir müssen einander immer interpretieren»

Woher wissen wir, was andere meinen, wenn sie von etwas sprechen? Und: Können wir uns auf die Sprache verlassen? Der Schweizer Philosoph Jonas Pfister sagt: Mit Sicherheit können wir nur sehr wenig wissen.

SRF: Können wir jemals mit Sicherheit wissen, was andere mit ihren Worten meinen?

Zur Person

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Der Philosoph Jonas Pfister unterrichtet an der Universität Luzern. Er hat mehrere philosophische Lehrbücher verfasst. Sein jüngstes trägt den Titel «Werkzeuge des Philosophierens».

Jonas Pfister: Mit absoluter Gewissheit können wir nur sehr weniges wissen – etwa die Sätze der Mathematik. Im Alltag jedoch kann man durchaus von Sicherheiten sprechen. Wenn wir etwa sagen, wir wissen, dass heute die Sonne scheint.

Denn das, was man mit Worten meint, ist oft nicht nur eine subjektive Vorstellung im Geist, sondern etwas Objektives in der Welt, auf das wir zeigen können. Wie dieser Tisch oder jener Baum.

Wenn nun jemand auf einen Tisch zeigt: Können wir dann wissen, was genau mit einer solchen Geste gemeint ist?

Hier muss man vorsichtig sein: Von einer einzelnen Äusserung oder eben Geste können wir das nicht. Der Philosoph Willard Van Orman Quine erläuterte mit dem Gavagai-Beispiel, dass die zeigende Person das ganze Objekt oder auch nur einen Teil davon meinen kann.

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Wir benötigen also mehr Informationen. Zwar verwenden wir die Worte einer Sprache, ein System von Zeichen also, das wir zumindest ansatzweise teilen.

Dennoch können wir uns nie ganz auf die Sprache verlassen, da jeder seinen eigenen Wortschatz und seine eigenen Überzeugungen hat. Wir müssen einander also stets interpretieren.

Was ist denn sprachliche Bedeutung überhaupt?

Das ist eine der Grundfragen der Sprachphilosophie. Vielleicht ist es einfacher zu sagen, was Bedeutung nicht ist: Bedeutung ist nicht ein Ding, das man einem Wort zuordnen könnte. Denn es gibt viele Ausdrücke, die schlicht nichts bezeichnen – «aber» etwa oder «Hallo».

Daher ergibt sich Bedeutung vielmehr aus den Zielen, die wir mit den Äusserungen verfolgen. Somit ist die grundlegende Einheit nicht das Wort, sondern der ganze Satz. Dieser Überzeugung war auch der Philosoph Gottlob Frege.

Wie kommt dann die Bedeutung eines Satzes zustande?

Dadurch, dass wir als Sprecher mit unseren Äusserungen gewisse Ziele verfolgen. Und dass wir uns auf etwas gemeinsam beziehen können, wie Donald Davidson sagt.

Zum Beispiel kann ich die Absicht haben, jemanden davor zu warnen, dass es bald regnen wird, indem ich auf die schwarzen Wolken am Himmel zeige. Dies könnte ein Anfang von Bedeutung sein.

Ist die Bedeutung ein Bild in unseren Köpfen – oder eher der Gebrauch in der Sprache?

Ersteres nicht. Denn Bilder im Kopf sind subjektiv und Bedeutungen müssen der Verständigung dienlich sein. Man kann, wie Ludwig Wittgenstein sagte, die Bedeutung für eine Vielzahl sprachlicher Zeichen damit erklären, was ihr Gebrauch ist.

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Einige Philosophen glauben, dass der Gebrauch gleich einer Regel, analog zu Spielregeln zu verstehen ist. Andere Philosophen wie etwa Paul Grice meinen damit, welche Absichten die Sprecher haben.

Gilt: Wer eine andere Sprache spricht, lebt in einer anderen Welt?

Wenn wir uns verständigen können, dann leben wir Menschen alle in derselben Welt, unabhängig vpn der Sprache. Aber wir nehmen diese Welt ganz unterschiedlich wahr und beschreiben sie dementsprechend.

Ein gutes Beispiel sind Farben: Es gibt den schönen Buchtitel «Der Himmel ist grün». Damit ist gemeint, dass derselbe Himmel, von uns als «blau», von den Sprechern einer anderen Sprache als «grün» bezeichnet wird.

Sie nehmen damit nicht die Farbe des Himmels anders wahr, sondern bezeichnen lediglich verschiedene Dinge als gleichfarbig, die wir als verschiedenfarbig verstehen. So entsteht ein anderes Bild der Welt.

Das Gespräch führte Olivia Röllin.

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