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Fussball und Faschismus Die dunkelbraune Seite des Calcio

Eine Aktion rechtsradikaler Fussballfans hat in Italien für Aufregung gesorgt. Sie zeigt, dass das Thema des Judenhasses im italienischen Fussball immer noch nicht historisch aufgearbeitet ist.

Das Wichtigste in Kürze

  • Fans von Lazio Rom schockierten vor wenigen Wochen mit einer antisemitischen Aktion.
  • Eine umfassende Aufarbeitung der faschistischen Vergangenheit in Italien, insbesondere im Fussball, ist längst überfällig.
  • Das Buch «Presidenti» von Adam Smulevich zeigt anhand von drei Beispielen, wie die Verdienste jüdischer Italiener für den Fussball durch den Faschismus verdrängt wurden.

Vor einigen Wochen sorgte der Club Lazio Rom für internationales Aufsehen. Rechtsradikale Fans des Clubs publizierten Fotografien von Anne Frank. Auf der Bildmontage trägt Frank das Trikot des Erzrivalen AS Roma trägt. Diese antisemitische Verunglimpfung des römischen Fussballclubs hat einen historischen Hintergrund.

Breitseite gegen früheren Club-Präsidenten

Zu den Gründern der AS Roma gehörte Anfang des 20. Jahrhunderts der römische Unternehmer Renato Sacerdoti. Sacerdoti war Jude, konvertierte als glühender Anhänger von Benito Mussolini aber 1937 zum Katholizismus.

1938, nachdem auch in Italien die Rassengesetze eingeführt wurden, verbannte die AS Roma Sacerdoti. Als Mönch verkleidet tauchte er in einem römischen Kloster unter.

Nach Kriegsende war er für wenige Jahre erneut Präsident der Roma. Heute ist er weitgehend vergessen. Rechtsradikale Fans des Clubs Lazio wollen sich also über die, wie sie es nennen, «Verjudung» der AS Roma mokieren, wenn sie Fotomontagen mit Anne Frank veröffentlichen.

Ciro Immobile von Lazio Rom.
Legende: «Nein zu Antisemitismus» sagen die Spieler von Lazio Rom, hier Stürmerstar Ciro Immobile, nach der Aktion ihrer Fans. Keystone

Dem Vergessen entreissen

Sacerdotis und zwei weitere Biographien hat der römische Journalist Adam Smulevich in seinem Buch «Presidenti» beschrieben.

Darin erzählt er, zum ersten Mal überhaupt, die Geschichte dreier italienischer Juden, die den Fussball in Italien prägten, aber wegen des Faschismus aus dem Bewusstsein der Italiener verdrängt wurden.

Faschisten im Stadion des Antifaschisten

Ebenso vergessen wie die Vita von Sacerdoti ist auch der neapolitanische Unternehmer Giorgio Ascarelli. Er finanzierte den Club seiner Heimatstadt. Der jüdische Antifaschist starb 1930.

Das von ihm gestiftete Fussballstadion in Neapel wurden nach seinem Tod nach ihm benannt. Mussolini änderte 1934 diesen Namen, um die in dem Stadium spielende Mannschaft des Deutschen Reiches nicht mit einem jüdischen Namen zu «beleidigen».

Fast ganz vergessen

Raffaele Jaffe hatte sich um den norditalienischen Club Casale, der heute in der Serie D spielt, sehr verdient gemacht. Als Clubpräsident führte er den Verein aus dem Piemont 1914 zur italienischen Meisterschaft.

Das bewahrte ihn nicht vor der Verhaftung 1944, gegen die der lokale Bischof und selbst gestandene Faschisten demonstrierten. Kurze Zeit später wurde Jaffe nach Auschwitz deportiert und dort erschossen.

Anstoss einer Debatte

Drei Geschichten von Fussball und Faschismus, die heute weitgehend unbekannt sind. In Italien hat eine historische Aufarbeitung der Diktatur Mussolinis bis heute kaum stattgefunden – weder seitens der Geschichtswissenschaften noch der betroffenen Fussballclubs.

Das Buch des Journalisten Smulevich ist ein wichtiger Anstoss einer längst überfälligen Debatte.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 27.11.2017, 17:22 Uhr.

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