Zum Inhalt springen

Header

Inhalt

Gesellschaft & Religion Griechenlands Gesundheitswesen wurde krank gespart

Das Gesundheitssystem in Griechenland ist ein Opfer der Finanzkrise geworden. Knapp ein Drittel der griechischen Bevölkerung kann sich eine Versicherung nicht mehr leisten und ist auf Solidaritätskliniken angewiesen.

Selbst versicherte Menschen können sich Medikamente, die einen Zuschuss aus eigener Tasche erfordern, oft nicht mehr leisten. Sie sind auf Unterstützung angewiesen. Diese finden sie in Solidaritätskliniken wie jener in Elliniko, die vor vier Jahren vom Kardiologen Georgios Bichas ins Leben gerufen wurde. Allein hierher kommen monatlich mehr als 1000 Patienten.

Arzt sitzt an medizinischem Gerät und untersucht einen Patienten.
Legende: In Bichas' Klinik werden Patienten kostenlos untersucht und mit Medikamenten versorgt. mkiellinikou.org

Etwas musste geschehen

«Damals wurden die ersten Patienten arbeitslos, fanden keine neue Anstellung mehr und verloren ihren Versicherungsschutz», berichtet der 54-jährige Bichas. «Doch die endgültige Idee war geboren, als einer meiner Patienten halbtot zu mir kam und mir sagte, dass er sich seine Medikamente nicht mehr leisten könne. Da wusste ich: Jetzt muss etwas geschehen.»

Heute arbeiten 250 Menschen ehrenamtlich in der Klinik. 50 Ärztinnen und Ärzte stehen zur Verfügung. Die Patienten werden kostenlos untersucht und ebenfalls kostenlos mit Medikamenten versorgt, die von Spenden aus dem In- und Ausland zusammengetragen werden. Bichas arbeitet nach seinem Dienst im staatlichen Krankenhaus mehrmals die Woche hier.

Zynische Nomination des EU-Parlaments

Als Initiator der Klinik wurde Bichas in diesem Jahr für den Europäischen Bürgerpreis nominiert. Der Preis wird vom Europäischen Parlament als Auszeichnung für aussergewöhnliches Engagement für ein besseres gegenseitiges Verständnis und mehr Integration in der EU vergeben. Der Kardiologe lehnte ab.

«Es ist die reinste Heuchelei, denn das EU-Parlament hat nichts unternommen, um die Sparbeschlüsse zu verhindern. Auch wenn es keine unmittelbare Entscheidungsgewalt hat», sagt Bichas. Er wolle mit der Ablehnung des Preises dem EU-Parlament ein deutliches Zeichen setzten, dass diese Art von Sparbeschlüssen aufhören müsse. Die griechische Bevölkerung könne nicht mehr.

Theater spielen für Spenden

Um Sachspenden für die Klinik einzunehmen, veranstaltet Bichas sogar Theatervorstellungen. Seit November finden mindestens zweimal im Monat Aufführungen in unterschiedlichen öffentlichen Räumen in Athen statt. Der Eintritt ist frei.

Wer möchte und kann, soll Sachspenden für die Solidaritätsklinik in Elliniko mitbringen. Bichas steht auch auf der Bühne und mimt den Bösewicht in dem Kindertheaterstück, das er selbst innerhalb eines Monats geschrieben hat.

Die Moral des Märchens lautet: Durch Solidarität können wir es schaffen, auch wenn die Politiker es einem schwer machen. Das diese Botschaft längst in der griechischen Bevölkerung angekommen ist, zeigen die vollen Tüten vor dem Eingang: Babynahrung, Medikamente und Kleidung wurden als Spende für die Klinik mitgebracht.

Sendebezug: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 17. November 2015, 17.45 Uhr

Meistgelesene Artikel