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Gesellschaft & Religion Hitchbot - der blecherne Tramper, der Kanada eroberte

Er trägt bunte Gummistiefel und lächelt freundlich. Hitchbot ist eigentlich ein ganz normaler Anhalter – wenn er nicht ein Roboter wäre. Einer, der 6000 Kilometer durch Kanada trampte. Seine Erschafferin über den ungewöhnlichen «Autostöppler», der vom Kunstprojekt zum kanadischen Liebling wurde.

Ein Roboter mit Gummistiefeln, LED-Grinsen und einer Anweisung auf dem Rücken, wie man ihn am Zigarettenanzünder im Auto auflädt, fährt per Autostopp von der Ost- an die Westküste Kanadas. Was war das jetzt, ein Kunstprojekt, ein Technikprojekt, ein Sozialprojekt, eine Spielerei, oder von allem ein bisschen?

Frauke Zeller: Von allem ein bisschen. Aber eigentlich ist es ein Kunstprojekt. So hat das Ganze gestartet. Es ist aber auch ein soziales Experiment mit sehr viel Technik. Aber in erster Linie ist es ein Kunstprojekt.

Was daran war ein Kunstprojekt?

Wir wollten ein Kunstprojekt mit Robotern kreieren, das Menschen dazu anregt, sich über Technik und über gewisse andere Aspekte wie Sicherheit, Vertrauen, aber auch einfach nur über per Anhalter fahren oder über Kanada zu unterhalten.

Und inwiefern ist es denn ein Technikprojekt, Sozialprojekt und eine Spielerei?

Ein Technikprojekt ist es, weil wir uns gesagt haben, dass wir Menschen mit so viel «Smart Technology» umgeben sind, dass jeder seine eigene Technik mit wenig Mitteln zusammenschrauben kann. Und das haben wir auch gemacht. Letztlich besteht ja Hitchbot aus ganz einfachen Mitteln. Und immerhin hat er’s geschafft, so 6000 Kilometer zurückzulegen.

Der Hitchbot schaut auf den Lake Superior.
Legende: Auch Ruhe muss mal sein: Der Hitchbot am Lake Superior. Reuters

Der soziale Aspekt ist eher im Bereich Interaktion zwischen Mensch und Roboter situiert. Ich wollte sehen, wie die Menschen auf den Roboter reagieren. Für mich war das auch etwas ganz Neues.

Normalerweise hat man in der Wissenschaft sehr kontrollierte Experimente. Bei diesem Experiment war alles ganz offen: Wir hatten keine Ahnung, ob es funktioniert. Ob Hitchbot etwas passiert, ob die Menschen darauf ansprechen. Das war sehr spannend.

Sie sagen, dass das Projekt auch die Beziehung zwischen Mensch und Roboter erforschen wollte. Kann man jetzt – nach erfolgreichem Abschluss von Hitchbots Reise – sagen: Menschen sind ganz vernarrt in Roboter. Denn immerhin rissen sich die Autofahrer darum, ihn mitzunehmen.

In diesem Fall sicherlich. Aber da gehört auch noch viel mehr dazu. Wir haben von Anfang an parallel zum Experiment die sozialen Medien integriert. Wir mussten in diesem Bereich eine Strategie fahren, damit die Menschen überhaupt wissen, wer Hitchbot ist.

Zudem haben wir sehr darauf geachtet, dass wir nicht nur das Äussere ansprechend gestalten, sondern Hitchbot auch eine ansprechende Persönlichkeit geben beziehungsweise einprogrammieren. Beispielsweise die Art und Weise, wie er sich unterhält. Das hat die Menschen sehr angesprochen.

In Kanada entwickelte sich zudem diese Eigendynamik, dass die Kanadier sagten, dass das Experiment in ihrem Land funktioniere, weil sie so hilfsbereit seien. Hitchbot hat sich sozusagen zu einem kleinen «National Icon» entwickelt. Die Menschen sind sehr stolz darauf und haben deswegen auch alle ganz toll mitgeholfen.

Bei diesem Experiment wurden sozusagen die Vorzeichen umgedreht: Hitchbot war von den Menschen abhängig, aber es sind die Menschen, die in Zukunft wohl immer abhängiger von Robotern werden. Was ist denn der Erkenntnisgewinn des Experiments?

Ich finde es persönlich ganz spannend, dass das Experiment, gerade weil es alles auf den Kopf gestellt hat, gezeigt hat, dass wir noch sehr viel mehr erforschen müssen. Und zwar auch aus der Perspektive: Was wollen wir mit den Robotern machen? Also wollen wir mit ihnen interagieren und wie? Ich meine: Die Menschen hätten nicht anhalten müssen. Oder sie hätten Hitchbot mitnehmen können und sonst was damit machen können.

Wir brauchen auch Experimente, bei denen wir alles offen lassen und einfach schauen, was die Menschen mit den Robotern anstellen. Vielleicht wollen wir Menschen Roboter, die uns im Haushalt helfen. Vielleicht wollen wir mit ihnen ja auch ganz was anderes machen. Einfach nur Skat spielen oder Ähnliches.

Sind Sie denn nun nach dieser dreieinhalb-wöchigen Reise von Hitchbot schlauer als zuvor?

Ich hab viele Ideen bekommen. Viele Anregungen dafür, was ich gerne machen möchte und wie ich die öffentliche Daten, die ich über diese sozialen Medien erhalten habe, auswerten kann. Das auf alle Fälle. Schlauer? Das dauert bei uns Wissenschaftlern eine Weile, bis wir das sagen können.

Und trotzdem haben Sie vermutlich persönlich als Wissenschaflerin eine Vorstellung, wohin denn die Reise hingehen sollte, was die Beziehung zwischen Mensch und Roboter angeht. Was gibt es da für Zukunftsszenarien?

In Zukunft werden wir immer mehr von Robotern abhängig sein. Eigentlich sind wir es ja auch schon heute. In der Industrie zum Beispiel sind Roboter gar nicht mehr wegzudenken. Auf die zu Recht gestellte Frage, ob die Roboter irgendwann zu viel Einfluss auf uns haben werden oder sich gar verselbständigen, antworte ich aber immer: Wir kreieren ja die Roboter. Wir sollten unsere Verantwortung auf keinen Fall vergessen.

Das macht man ja, wenn man immer gleich sagt: Irgendwann werden die selbständig und dann wird alles ganz furchtbar. Das wäre natürlich schlimm, aber noch schlimmer ist die Erkenntnis, dass wir sie ja so programmiert haben. Da muss man noch viele Debatten führen. Wir müssen wissen, was wir mit Robotern anstreben.

Hitchbot soll bald auf seine nächste Reise gehen, durch Kanada und dann durch die USA. Was ist bei dieser Reise die Ausgangslage?

Wir haben noch nichts festgelegt. Wir haben sehr viele Angebote. Hitchbot wird jetzt erstmal ein paar Präsentationen in Galerien und Museen in Kanada machen. In die USA, ins Silicon Valley, wird Hitchbot mit uns im September fahren. Da findet eine grosse Konferenz statt.

Die Forscher im Silicon Valley sind auch sehr daran interessiert. Das finden wir natürlich auch sehr schön, gerade weil es ein Kunstprojekt ist. Und in dem Fall zeigt es sich ja auch, wie Kunst nicht nur Öffentlichkeiten inspirieren und engagieren kann, also sozusagen ein partizipatives Kunstprojekt hervorbringen kann, sondern wie Kunst eben auch ganz andere Disziplinen interessieren kann. Das ist sehr schön.

Dann haben wir natürlich viele Angebote, auch in andere Länder zu kommen. Auch einige nach Deutschland, weil ich ja aus Deutschland bin. Das würde wir sehr gerne realisieren. Aber wir müssen schauen, wie wir das finanzieren.

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