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HörPunkt: Glückliche Pendler? Lara Stoll, was treibt Sie im Zug auf die Palme?

Die Slam-Poetin Lara Stoll pendelt im Zug zu Auftritten in der ganzen Schweiz. Und wie für viele Pendler gibt es auch für Lara Stoll Dinge, die sie beim Reisen in Rage bringen. Eine geslamte Ode an die Pendler-Übel – vom Drängeln bis zum Döner.

Pendeln kann vieles sein: Zeit um zu sich zu kommen, Zeit um zu hassen, Zeit um zu schwelgen, Zeit um in sein Smartphone zu starren, Zeit um zu schlafen. Das muss ich Ihnen ja aber nicht alles aufzählen, Sie sind ja nicht dumm und wissen selbst am besten wie Sie ihre Zeit verbringen, wenn Sie von Sirnach nach Müllheim dümpeln oder von Altstetten nach Oerlikon «durchmessern». Wir alle wissen auch, was man beim Pendeln soll und was man nicht soll. Nichtsollen soll man meiner Meinung nach nichts. Aber ich bin auch gegen Zensur und gegen ein Hiltl an der Langstrasse und Biss-Attacken im Fussball.

Das feuchte Polsterscharmützel

Zur Person

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2006 feierte die Ostschweizerin Lara Stoll ihren ersten grossen Erfolg: Sie wurde Schweizer Meisterin im Poetry Slam (u20). Vier Jahre später wurde sie Europa-Meisterin. Seit 2013 macht sie die Satire-Sendung Bild mit Ton.

Meine Zug-Knigge-Latte liegt tief, trotzdem gibt es natürlich Verhaltensweisen, die Ihnen beim Zugfahren keine Freunde einbringen. Drängeln beim Einsteigen, nackte Füsse auf dem Nebensitz (in diesem Fall ist die Situation jedoch wesentlich vom visuellen und olfaktorischen Zustand des Exemplars abhängig), Döner-Trauerspiel – auch «das feuchte Polsterscharmützel» genannt, pausenlose Husten-Attacken, Telefon-Sirenen (hier werden gleich zweierlei Sachen zusammengefasst: 1. ohrentraktierende Klingeltöne und 2. Menschen mit defizitärem Lautstärke-Feingefühl), Furzen, Unkluge Eltern (Kleinkindern erst Süssigkeiten geben und sie dann herumrennen lassen) und natürlich allgemein alle Arten von betrunkenen Teenagern (in Gruppen schlimmer als einzeln).

Dies alles kann und soll bei einer erfolgreichen Zugreise möglichst vermieden werden. In Ordnung, ich beklage mich nicht, wenn es so sein sollte, dass ich mich am Ende meiner Reise nicht voller Cocktailsauce, Schokoladenflecken und Viren aus dem Zug begeben kann, dann ist mir das wirklich mehr als Recht.

Die stille Verbrüderung der Bünzli

Trotzdem, finde ich, soll man ja noch Mensch sein dürfen. Wenn nun einer, sagen wir Neo-Hippie A, seine leicht dreckigen aber nicht pathologisch duftenden Patschen neben jemand anderem, sagen wir Früh-Rentner B, platziert und Früh-Rentner B, oder gar unterforderte Hausfrau C, die das Abteil ebenfalls mit ihrer Anwesenheit bereichert, sofort ein riesen Büro deswegen aufmacht, dann kommen mir die Schweissperlen.

Dieses überbünzlige Anstandstheater ist mir wirklich ein Rätsel. Die «unausgesprochene Empörung» ist mir aber beinahe noch unheimlicher. Oftmals suchen sich diejenigen, die sich von diesen «No-Gos» provoziert fühlen, Verbündete. Versuchen Blickkontakt zu anderen Passagieren herzustellen um Bestätigung zu erhalten, dies mündet dann nicht selten in einem stillen, entrüsteten Kopfschütteln zweier Unbekannter, wegen einem blanken Fuss. Da kommt der Schweizer aus sich raus, da hat er gerne Kontakt mit Fremden, wenn er sich empören kann.

Aber nun gut, besser vielleicht, man sagt etwas wenn’s einem nicht passt, so ein Magengeschwür ist schliesslich auch nicht ohne. Falls Sie jemals neben mir sitzen sollten, dürfen Sie jedenfalls tun und lassen was immer Sie wollen. Ausser die betrunkenen Teenager, die dann doch lieber nicht. Und die Kinder, die auch nicht. Ich wünsche Ihnen gutes Reisen.

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