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HörPunkt: Glückliche Pendler? Wie viel Mobilität wollen wir?

Schweizer Pendler müssen bis zu zwei Stunden Arbeitsweg auf sich nehmen, so will es das Gesetz. Ab einer Stunde pro Weg macht Pendeln unglücklich, das zeigen Studien. Der moderne Nomade ist mobil und bleibt dennoch altmodisch verwurzelt. Das ist längst nicht der einzige Widerspruch.

Heute dauert ein Arbeitsweg im Schnitt eine halbe Stunde. Das errechnete die jüngste Statistik des Bundes. Für Arbeitssuchende gilt ein Weg von zwei Stunden als zumutbar – total also vier Stunden pro Tag. Mobilität ist wirtschaftlich erwünscht. Die Arbeit ist ein gewichtiger Grund, um unterwegs zu sein (SRF-Grafik). Noch gewichtiger sind Freizeit, Sport, Freunde besuchen und Einkaufen. Diese Aktivitäten verursachen 40 Prozent der Mobilität in der Schweiz.

Zur Arbeit bewegen wir uns am häufigsten mit dem Auto (53 Prozent), obwohl ein Auto auf Strassen und Parkplätzen viel Platz braucht, um eine einzige Person von A nach B zu transportieren. Einmal angeschafft, ist die Fahrt recht günstig. Autofahrten sind kurz und nehmen zu: von der Agglo in die Zentren, aber auch in die benachbarte Agglo. Mit der Bahn sind 16,2 Prozent unterwegs, das Tram bleibt chancenlos.

Live aus dem Pendlerstrom

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Legende: SRF Julian Salinas

Radio SRF 2 Kultur nimmt den Arbeitsweg unter die Lupe und sendet einen Tag lang live aus dem Hauptbahnhof Zürich.

HörPunkt «Glückliche Pendler? – Ein Trend auf dem Prüfstand». Zum Webspecial

2. Juli, Radio SRF 2 Kultur

6 bis 24 Uhr

Wo schadet der Stau am wenigsten?

Die Verkehrsmeldungen machen deutlich: Staufreie Fahrten in der Rushhour sind eine Illusion. Die Verkehrsplaner beschäftigt mittlerweile die Frage, wo der Stau am wenigsten Schaden anrichtet.

In den Bahnhöfen stauen sich die Menschen zur vollen und halben Stunde, vor allem frühmorgens und abends. Die Idee der SBB war bahnbrechend und wurde vom Stimmvolk 1987 angenommen: Dank baulichen Massnahmen brauchten die Züge zwischen den grossen Bahnknoten alle ungefähr gleich lang. Ab 2004 fuhren die Züge jeweils leicht zeitversetzt in den Bahnhof ein. Bahnfahren und Umsteigen wurde dank der Bahn 2000 für Reisende zeitsparend und attraktiv.

Als Folge nahmen zwischen 1996 und 2005 die Passagierzahlen um fast 30 Prozent zu. Doch der Erfolg hat seinen Preis: Das Gedränge verlangt frühmorgens nach Ellenbogen, die überfüllten Perrons mutieren zum Sicherheitsrisiko. Nach acht Stunden ist der Spuk vorbei – bis 16 Uhr. Dann spielt sich, leicht abgeschwächt, dasselbe Gedränge nochmals ab.

Glückliche Pendler reisen weniger als eine Stunde

Das deutsche Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung hat mobile Menschen in Spanien, Frankreich, Deutschland, Polen, Belgien und der Schweiz befragt. Ihre Motivation ist überall ähnlich: Die einen tun es aus vermeintlich freiem Willen, andere, weil der gute Job oder Ausbildungsplatz partout nicht in der Wohngemeinde zu finden ist.

Status und soziales Netz sollen erhalten bleiben. Das soziale Leben am Wohnort, zusammen mit der Familie und den Freunden, ist den Pendlern in Europa wichtig. Der mobile Mensch optimiert – und bleibt dennoch altmodisch verwurzelt.

Über Gefühle wie Glück und Unglück als Pendelnder entscheidet die Zeit. Die Grenze liegt bei einer Stunde pro Wegstrecke. Und glücklich ist nur, wer bequem reist – und wer die Nerven behalten kann, wenn er unverhofft im Stau oder sie im Zug stecken bleibt.

Mobilität muss mehr kosten ...

Porträtaufnahme
Legende: Kostenwahrheit ist eine trügerische Forderung: Norbert Schneider. Fiedler

Mobilität sei Diebstahl, hat Stadtwanderer Benedikt Loderer im «Tages-Anzeiger» geschrieben. Diebstahl an Ressourcen wie Kulturland, der Umwelt, an der Zukunft der Töchter und Söhne. Die Lösung heisst: Verzicht, vor allem auf Bequemlichkeit und Statusgetue. Wer sich von A nach B bewegen will, soll wieder schwitzen.

... aber wer muss zahlen?

In der politischen Diskussion erklingt der laute Ruf nach Kostenwahrheit. Der Preis soll die Mobilität steuern. Würden die Kosten 1:1 überwälzt, hiesse dies: ein doppelt so teures Generalabonnement für die Bahn, ein Drittel teurere Autofahrten sowie die Abkehr von Europaflügen für 30 Franken.

Norbert Schneider, Bevölkerungsforscher und Soziologe aus Deutschland, hebt besorgt den Finger. Der Verursacher, der mobile Arbeitsmensch, soll alleine bezahlen? Das sei zu kurz gedacht. Die Gesellschaft müsse entscheiden, wer für die wirtschaftlich erwünschte Mobilität wie viel bezahlt. Die Grundfrage ist deshalb keine individuelle, sondern eine strukturelle: Wie viel Mobilität für wen wollen wir?

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