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Gesellschaft & Religion Library of Congress: USA grounden das Hirn der Welt

Nach dem Shutdown geht in Washington D.C. Vieles nicht mehr. Der Staatsbetrieb ist heruntergefahren, zahlreiche Einrichtungen geschlossen, darunter auch die Library of Congress – eine der wichtigsten Bibliotheken der Welt. Wie sind die Reaktionen vor Ort? Ein Augenschein vor den geschlossenen Toren.

Normalerweise wälzt sich eine stete Blechlawine über die Independence Avenue, eine vierspurige Strasse im Regierungsviertel von Washington D.C. Jetzt ist es so still, dass man hören kann, wie der Herbstwind die bunten Blätter über das Trottoir wirbelt. Denn Hunderttausende Beamtinnen und Beamte in der Hauptstadtregion sind in den Zwangsferien. Auch jene der Library of Congress (LoC).

Ratlose Besucher und Touristen

Shutdown im Netz

Box aufklappen Box zuklappen

Auch die Website der LoC ist momentan «geschlossen»: «All public events are cancelled and web sites are inaccessible except the legislative information sites THOMAS.gov and beta.congress.gov» steht da – ebenso auf Facebook. In Dutzenden Kommentaren ärgern und sorgen sich User. Auch auf Twitter sowie unter #libraryofcongress wird rege diskutiert.

Die Kongressbibliothek gilt neben der British Library in London als bedeutendste Bibliothek der Welt. «Closed» steht auf einem Schild am Eingang. Ebenso auf der Website und den offiziellen Social-Media-Kanälen (siehe Box).

Das haben nicht alle mitbekommen, obwohl der Shutdown seit Tagen weltweit die Schlagzeilen beherrscht. Zahlreiche Besucher, vor allem auch Touristen, stranden hier und schauen ratlos um sich.

Julius Wilm aus Köln hatte sich seit Wochen im Lesesaal der Bibliothek vergraben, um an seiner Doktorarbeit über den Wilden Westen zu arbeiten. Jetzt kommt er nicht mal mehr ins Gebäude rein: «Die Forschung steht still», entsetzt sich der Historiker, «ich habe nicht gewusst, dass ein Shutdown so dramatisch ist.»

Schülerin will sich «rächen»

Die Staatsbibliothek beherbergt über 150 Millionen Bücher, Medienerzeugnisse, Fotos, Karten, Pläne und Staatspapiere aus aller Welt, verteilt auf drei ganz unterschiedliche Gebäude. Gegründet 1800, unterstützten drei Präsidenten die Bibliothek persönlich: John Adams, Thomas Jefferson und James Madison. Nach diesen drei Staatsmännern sind die drei Gebäude auch benannt, das älteste ist das Jefferson-Building, ein Prachtsbau im Stil der italienischen Renaissance.

Studenten, Politiker, Schülerinnen und Forscher aus der ganzen Welt gehen dort ein und aus. Tatum beispielsweise ist mit ihrer Klasse extra aus Colorado angereist, um die im Geschichtsunterricht gelernten Insignien der Macht von innen anschauen zu können. Sobald sie volljährig ist und wählen darf, will sie sich an diese Enttäuschung erinnern und es den Politikern, die daran schuld seien, heimzahlen, ärgert sich das Mädchen aus Aspen.

«Ich liebe sie!»

Vor dem zweiten Gebäude, dem Madison-Building, sitzen mehrere gestrandete Besucher an Gartentischen. Ratcliff Lewis weiss gar nicht, dass die Library geschlossen ist. Seine Gratiszeitung habe ihm dies nicht mitgeteilt, klagt er. Der Armee-Veteran wollte für seinen Blog recherchieren. Ansonsten hat er mit dem Staat nicht viel am Hut: «Ich würde kaum etwas verlieren, wenn der Staatsapparat für immer geschlossen bleibt».

Gar von der Westküste, aus San Diego, ist Malcolm Grey angereist. Er wollte Informationen einholen für eine Architektur-Studie über norwegische Kirchen. Dennoch ist er nicht verärgert, er habe Vertrauen. Nicht in die republikanische Partei, aber in die Regierung. Was dieser Shutdown für die betroffenen Angestellten bedeutet, bringt Mary Ann Burns auf den Punkt. Als Mitarbeiterin der Library of Congress ist sie zwar freigestellt, dennoch sitzt sie mit einem Buch vor der geschlossenen Bibliothek: «Ich habe die Library vermisst, ich liebe sie», sagt sie dazu schlicht.

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