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US-Populisten nehmen die Bibel in Beschlag
Aus Kultur-Aktualität vom 12.07.2018. Bild: Reuters
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Politik im Namen Gottes Wie US-Populisten die Bibel kapern

Donald Trumps Kreise berufen sich auf die Bibel, wo sie können. Bei den Wählern kommt das an. Obwohl die Politik oft die christlichen Botschaften verdreht, wie eine New Yorker Theologin kritisiert.

«In God we trust.» Auf Gott vertrauen wir – das steht auf jedem US-Dollar. Tatsächlich hat ein US-Politiker bessere Chancen, gewählt zu werden, wenn er konservativen Christinnen und Christen schmeichelt. Das ist auch Donald Trump gelungen.

Trump bedient die Erwartungen konservativer Frommer gleich in mehrerer Hinsicht: Beim so genannten «Lebensschutz», wenn er als US-Präsident gegen das liberale Abtreibungsgesetz vorgeht. Wenn er einen konservativen, katholischen Richter für das Oberste Gericht vorschlägt. Oder wenn er die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt.

Gottes grosse Pläne

Ganz besonders Anklang im Bibel-Belt Amerikas findet, dass Trump die Vereinigten Staaten «wieder gross» machen will. Die USA seien «God’s Own Country». Und viele US-Amerikaner fühlen sich wie Gottes auserwähltes Volk.

Mit diesem religiös verbrämten Selbstverständnis arbeitet Trump, auch wenn er selbst kein Christ sei. Das meint Theologieprofessorin Brigitte Kahl vom Union Theological Seminary in New York.

Unbiblische Ziele unter biblischem Namen

Bibelwissenschaftlerinnen wie Brigitte Kahl schlagen Alarm: US-Konservative und Rechtspopulisten bedienten sich der Bibel, um damit der Bibel widersprechende Ziele zu verfolgen.

Trump hält während einer Rede eine Bibel in die Luft.
Legende: Trump biedert sich bei konservativen Christen an – obwohl er selbst nicht religiös ist. Reuters

Dazu gehöre die Abschottung gegen Migration und Flüchtlinge. Dementgegen fordere die Bibel gleich mehrfach, den Fremden zu lieben und Gastfreundschaft, Nothilfe, Schuldenerlass und Asyl zu gewähren.

Unter den US-Christinnen und Christen seien jedoch nur wenige bibelkundig genug, um dem Bibelmissbrauch durch Rechtspopulisten zu durchschauen. Das bedauert die aus Ostdeutschland stammende Brigitte Kahl.

Brigitte Kahl

Brigitte Kahl

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Die Bibeltheologin Brigitte Kahl wurde in Ostdeutschland geboren, lehrte an der Humboldt-Universität Berlin und lehrt seit rund 20 Jahren am Theologischen Seminar der Columbia University in New York.

Ihre wichtigsten Arbeiten umfassen feministische und befreiungstheologische Studien, etwa zum Denken des Apostels Paulus.

«Ein Buch von unten»

Linke und Liberale hätten fast jeden Bezug zur Bibel verloren. Darum antworteten sie zu selten auf die Bibelverdrehung: Für sie hat die Bibel ein konservatives Image.

Dabei sei die Bibel doch «ein Buch von unten» und Partei für die Armen, sagt die evangelische Theologin Kahl. Und so sagt es ja auch Papst Franziskus. Der Papst kommt bei den konservativen US-Amerikanern nicht gut an, weil er den Kapitalismus geisselt und sich mit Flüchtlingen solidarisiert und Muslimen die Füsse wäscht.

Wohlstand als Segen Gottes

Die «geistliche Beraterin» Donald Trumps stützt derweilen die Abschottungspolitik ihres Präsidenten. Paula White heisst sie und vertritt das sogenannte «prosperity gospel», also «Wohlstandsevangelium». Diese Lehre ist aus dem rechts-evangelikalen Spektrum Lehre hervorgegangen. Sie deutet finanziellen Erfolg als Segen Gottes.

Paula White verteidigte am Montag (9.7.2018) auf dem Sender «CBN» die illegale Trennung von Flüchtlingsfamilien durch den US-Grenzschutz. White stand Donald Trump auch bei seiner Inauguration und am National Prayer Day in Washington zur Seite.

Eine Gruppe Frauen und Männer hält Trum Schilder und betet.
Legende: «In God they trust»: Trump-Anhänger beten vor einer Ansprache des US-Präsidenten. Reuters

Religiöse Führungspersonen an seiner Seite zu haben, ist wichtig für den Präsidenten. Denn das Religiöse und die Bibel zählen noch in den USA, sagt die kritische Theologin Brigitte Kahl.

Hanebüchene Bibelzitate

Umso stossender findet die Bibelwissenschaftlerin Kahl, wenn Rassisten versuchen, mit der Bibel ihren Rassenhass zu begründen.

Bis heute werde von Rassisten in den Südstaaten die angebliche Verfluchung Hams im ersten Mosebuch zitiert. Damit wollen sie die Versklavung und Diskriminierung dunkelhäutiger Menschen rechtfertigen.

Dabei steht im Bibelvers (Genesis 9,24ff.) noch nicht mal, dass Ham «schwarz» gewesen sei. Ausserdem wurde gar nicht Ham, sondern sein Sohn Kanaan von Noah verflucht. Die rassistischen Argumentationen sind hanebüchen, aber sie würden geglaubt.

Auch dass Trumps Politik oft im Widerspruch zur Bibel steht, stört nur wenige. Respektive: Nur wenige merken das.

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