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Das Risiko des Todes
Aus Kulturplatz vom 28.08.2013.
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Gesellschaft & Religion Red Bull: Das Milliarden-Geschäft mit Abenteuer, Risiko und Tod

«Jäger des Augenblicks» ist ein Dokumentarfilm, der von drei Extremkletterern erzählt, die einen südamerikanischen Tafelberg besteigen. Produziert und finanziert wurden Abenteuer und Film von Red Bull. Aber was hat ein Energydrink mit dem Kletterabenteuer zu tun? Sehr viel.

Der Film «Jäger des Augenblicks» erzählt eine Bergsteigergeschichte. Und doch ist der Film Lichtjahre vom Knotenstock schwingenden Luis Trenker entfernt, und auch Reinhold Messner wirkt wie ein Grossvater neben den modernen Abenteurern. Denn die Betonung liegt auf modern, das heisst hier medien- und umweltbewusst, sportlich, leistungsbereit und adrenalinsüchtig. Immer bereit, bis ans Limit zu gehen und selbst darüber hinaus, bis zum grössten und letzten Risiko, dem Tod.

Von Adrenalinjunkies für Adrenalinjunkies

Das alles wirkt nicht nur wie massgeschneidert für eine Werbekampagne von Red Bull; es ist eine Werbekampagne von Red Bull. Die Red Bull Media House GmbH hat das Abenteuer finanziert und den Film produziert.

Ein Geschäftsmodell um Abenteuer, Leistungswillen und Tod, gerichtet an eine Zielgruppe junger Leistungsträger, die den ultimativen Kick suchen – im Kinosessel. Ein Film für Adrenalinjunkies oder solche, die sich dafür halten. Ganz sicher aber ein Film über drei Adrenalinjunkies, drei Extremkletterer, die gar nicht mehr anders können.

Lohnt sich das?

Ein Kletterer filmt an der Felswand, der andere hängt in der Luft.
Legende: Ein Film für Adrenalinjunkies – oder solche, die sich dafür halten. Cineworx

So einfach könnte es sich Red Bull machen: kleine witzige Cartoons mit Männchen, die ein Red Bull trinken, das ihnen Flügel verleiht. Statt dessen Expeditionen in die entlegensten Winkel der Erde. Immer höher, immer weiter, immer waghalsiger. Und ist die Welt nicht mehr genug, geht Red Bull hinauf in die Stratosphäre, wo Felix Baumgartner aus 39 Kilometer Höhe herabspringt. Allein diesen Event liess sich Red Bull laut Unternehmensgründer Dietrich Mateschitz etwa 25 Millionen Euro kosten.

Lohnt sich das? Ja, sagt der Zürcher Werber Pius Walker und meint, dass sich die zweistelligen Zuwachsraten von Red Bull nur dadurch erklären lassen, dass sie ein Drittel ihres Budgets ins Marketing investieren. Den Werbewert des Stratosphärensprungs schätzen österreichische Fachleute auf etwa eine Milliarde Euro. So viel ist es wert, dass etwa acht Millionen Menschen allein auf Youtube live verfolgt haben, wie Red Bull Flügel verlieh.

Red Bull verleiht Flügel – aber nicht immer

Ein erheblicher Teil des Erfolgs dürfte dem Risiko geschuldet sein, das Felix Baumgartner genauso einging wie unsere drei Bergsteiger im Film. Denn manchmal verleiht Red Bull eben keine Flügel. So geschehen auch bei diesem Abenteuer. Auf halber Höhe müssen die drei «Jäger des Augenblicks» abbrechen. Zurück in Deutschland verunglückt der eine, Kurt Albert, auf einem Klettersteig tödlich.

Glück für Red Bull, dass Kurt Albert nicht in Südamerika bei den Dreharbeiten starb. Doch selbst solch ein Fall ereignete sich bereits: Am 11. November 2009 sprang der Basejumper Ueli Gegenschatz vom Sunrise-Tower in Zürich und verunglückte tödlich. Seltsam, dass die Öffentlichkeit kaum die Werbung mit dem Risiko kritisierte, sondern eher das Schicksal des Extremsportlers bedauerte.

Strahlende Helden am Schluss

Zwei Bergsteiger auf der Spitze, unter ihnen das Wolkenmeer.
Legende: Ein klassische Heldengeschichte: Kletter-Freunde brechen in die Wildnis auf. Cineworx

Der Film «Jäger des Augenblicks» ist nach dem Muster klassischer Heldengeschichten gestrickt: Drei Freunde verlassen die Zivilisation, brechen auf in die Wildnis. Go West – wie in den amerikanischen Gründungsmythen wartet am Ende die unbekannte Herausforderung, das grosse Risiko.

Weil Heldengeschichten aber nicht mit einem Verlust enden – und schon gar nicht mit Aufgeben – kehren die verbliebenen zwei «Jäger des Augenblicks» zurück zum Berg, steigen von oben in die alte Route ein. Von dem Punkt, an dem sie zuvor abgebrochen hatten, klettern sie nun weiter. Und natürlich stehen sie am Ende als strahlende Helden auf dem Gipfel.

Sie haben sich geschunden, sie haben fast aufgegeben, sie waren dem Tod nahe – aber sie haben es geschafft: Das ist die Botschaft des Film, und das ist die Werbebotschaft von Red Bull.

Die Marke profitiert, riskiert aber nichts

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Ein weiterer Film, ein weiterer Unfall
Aus Kulturplatz vom 28.08.2013.
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Die Herausforderung, das Risiko und der Tod sind Teil des Lebens dieser Extremsportler – genauso wie sie Teil der Marketingstrategie von Red Bull sind. Mit dem kleinen Unterschied, dass die Marke nur profitiert, aber nichts riskiert.

Denn es ist ein ethischer Unterschied, ob jemand sein Leben riskiert, oder ob jemand davon profitiert, dass jemand anderes sein Leben riskiert. Diesen Unterschied hat die Firma Red Bull entweder nicht bemerkt oder schlicht und einfach ignoriert.

Ende 2013 bringt die Red Bull Media House GmbH schon den nächsten Film in die Kinos, «McConkey». Der Titelheld, der Extremskifahrer Shane McConkey, verunglückte 2009 in den Dolomiten bei einem Basejump auf Skiern tödlich. Der Trailer ist jetzt schon online. Und die Kinoplakate werben: McConkey. Du hast ein Leben. Lebe es.

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