Zum Inhalt springen

Header

Audio
Diversität am Arbeitsplatz: Interview mit Nathalie Amstutz, Dozentin für Gender und Diversity Management
Aus Blickpunkt Religion vom 07.03.2021. Bild: Getty Images/Jasmin Merdan
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 6 Sekunden.
Inhalt

Religion am Arbeitsplatz Religion ist Privatsache – aber nicht nur

Ob Kruzifix oder Kopftuch – religiöse Symbole am Arbeitsplatz sind umstritten. Doch was sagt eigentlich das Recht dazu?

Während einer Gerichtsverhandlung dürfen Richterinnen oder Gerichtsschreiber keine religiösen Symbole tragen. So will es ein neues Reglement des Kantons Basel-Stadt. Dieser Fall zeigt exemplarisch, dass Staatsangestellte unabhängig und neutral sein sollten. Doch so einfach ist es nicht.

«Wenn jemand ein religiöses Symbol trägt, sollte das die Neutralität des Staats nicht in Frage stellen», ist Staatsrechtler Andreas Stöckli überzeugt. «Es kommt doch darauf an, dass sich ein Richter eine eigene Meinung bilden kann – egal welcher Religion oder Partei er angehört», so Stöckli.

Was ist neutral?

Bei Richterinnen oder Lehrern sorgen religiöse Symbole immer wieder für Diskussionen. Hingegen wird ihre mögliche Parteizugehörigkeit kaum öffentlich kritisiert – bei Richterinnen und Richtern ist sie Voraussetzung, um überhaupt gewählt werden zu können. Und: Auch sie kann die Neutralität und Unabhängigkeit in Frage stellen.

Drei hände halten jeweils ein religiöses Symbol: eine Hand der Fatima, einen Judenstern, ein Kreuz.
Legende: Religiöse Symbole sollten die Neutralität nicht in Frage stellen. Aber was heisst das? Getty Images/Sébastien Désarmaux

Deshalb plädiert Andreas Stöckli für ein offenes Neutralitätsverständnis des Staates: Religion dürfe durchaus Platz in der Öffentlichkeit und im öffentlichen Dienst haben. Schliesslich gelten die Grundrechte der Religionsfreiheit und des Diskriminierungsschutzes auch für Staatsangestellte.

Religion im Bewerbungsverfahren

Ein gewisses Problem punkto Religion in staatlichen Institutionen erkennt Andreas Stöckli in der Phase der Bewerbung: Es wird immer wieder von Fällen berichtet, in denen Leute eine Stelle nicht bekommen, weil sie einer bestimmten Religion angehören oder einen bestimmten ethnischen Hintergrund haben.

«Bei einem Bewerbungsgespräch ist man grundsätzlich nicht verpflichtet, über seine Religiosität Auskunft zu geben», sagt Professor Stöckli. Er ergänzt: «Wer trotzdem gefragt wird, darf lügen».

Beiträge zum Thema Religion am Arbeitsplatz

Box aufklappen Box zuklappen

Wenn jedoch eine Ärztin aus religiösen Überzeugungen etwa keine Abtreibungen durchführen wolle, müsse sie das bei einem Bewerbungsgespräch transparent machen: «Sonst könnte das im Nachhinein negative Konsequenzen haben und bis zur Kündigung führen.»

Vielfalt fördern
: Was heisst das?

Unsere Gesellschaft und daher auch die Arbeitswelt werden religiös immer vielfältiger. Daher setzten sich zunehmend auch Privatunternehmen mit der vermeintlichen Privatsache Religion auseinander. Auch sie sind verpflichtet, die Religionsfreiheit ihrer Angestellten zu gewähren und sie vor Diskriminierung zu schützen.

Buchhinweis:

Box aufklappen Box zuklappen

Andreas Stöckli, Anne Kühler, Felix Hafner, Kurt Pärli: «Recht, Religion und Arbeitswelt». Dike Verlag, 2021.

Insbesondere Grossunternehmen bemühen sich um Vielfalt ihrer Angestellten, wenn es um Geschlecht, Alter, Nationalität oder eben Religion geht. «Allerdings wird selten ausgeführt, was das in Bezug auf Religion genau heisst», sagt Nathalie Amstutz. Sie ist Professorin für Gender- und Diversitätsmanagement an der Hochschule für Wirtschaft an der FHNW in Olten.

An Kleiderhaken hängen Gebetsketten und ein Kleiderbügel.
Legende: Gebetsketten und Kleiderhaken im Gebetsraum der Islamischen Gemeinschaft Bosniens an der Kleinhueningerstrasse in Basel. Keystone/GEORGIOS KEFALAS

Religionsfreundliche Unternehmenskultur

Unternehmen bemühen sich zwar, in ihren Kantinen religiöse Speisegesetze zu beachten oder adäquate Gebetsräume zur Verfügung zu stellen. Allein mit der Infrastruktur sei es aber noch nicht getan, findet Nathalie Amstutz: «Es geht auch um eine Firmenkultur, in der zum Beispiel diskriminierende Witze und Sprüche keinen Platz haben.»

Gerade die diskriminierende Bedeutung von Sprüchen und Witzen werde unterschätzt. Auch, weil sie oft mit Rassismus und Sexismus verbunden seien. Da müsse der Betrieb eingreifen, sagt Nathalie Amstutz: «Diese Art der Kommunikation ernst zu nehmen ist Aufgabe des Betriebs. Sie sollte nicht an jene Personen abgeschoben werden, die diese Sprüche und Witze zu hören bekommen.»

Radio SRF 2 Kultur, Blickpunkt Relgion, 28.02.2021, 08:08 Uhr

Meistgelesene Artikel