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Sich mit dem Tod versöhnen
Aus Blickpunkt Religion vom 24.11.2019.
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Sargkünstlerin Alice Hofer «Ich sterbe jeden Tag ein bisschen»

Alice Hofer begleitet trauernde Menschen – und solche, die sich frühzeitig mit der eigenen Vergänglichkeit auseinandersetzen. Zum Beispiel, indem sie den eigenen Sarg mitgestalten.

Im Schaufenster steht ein weisses Gestell. Es ähnelt einem modernen Bücherregal. Anstelle von Büchern stehen aber Urnen darin: aus schlichtem Holz in Tropfenform, andere mit Jasskarten bemalt oder mit Sonnenblumen verziert. Entworfen hat die Urnen Alice Hofer, Witwe von Mundartsänger Polo Hofer und Inhaberin der «Praxis für angewandte Vergänglichkeit».

Es ist ein kühler Herbsttag, als ich Alice Hofer in Thun treffe. Das passe wunderbar zum Thema, denn: «Der Herbst zeigt uns, wie wunderschön man sterben kann», sagt Alice Hofer. Wunderschön deshalb, weil der Herbst bunt sei, nicht schwarz.

Ein Schaufenster mit Holzurnen, in dem sich Bäume spiegeln.
Legende: Urnen aus Holz, ein Sarg aus Weidenzweigen: Alice Hofer arbeitet gerne mit Naturmaterialien. SRF / Julian Salinas

Überhaupt sei für die 58-Jährige die Natur ein Vorbild, «weil jede Jahreszeit die vorherige ablöst und damit auch erlöst». Nach dem Winter kommt der Frühling. Nach dem Tod komme neues Leben, ist sie überzeugt.

Sich mit dem Tod versöhnen

Alice Hofer glaubt aber nicht nur an ein Leben nach dem Tod. «Ich glaube auch an ein Leben vor dem Tod.» So bedankt sie sich etwa jeden Tag für das erlebte Glück und verabschiedet sich zugleich auch davon: «Ich sterbe jeden Tag ein bisschen.» Dieses Ritual würde ihr helfen, sich mit dem Sterben ebenso wie mit dem Leben zu versöhnen.

Sendehinweis: «Die Bestatterinnen»

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Das Bestattungswesen ist eine Männerwelt. Vier Frauen lassen sich davon nicht abschrecken. Ganz im Gegenteil: In diesem Beruf können sie ihre Vorstellungen von einem würdevollen Umgang mit den Verstorbenen und ihren Angehörigen einbringen.

Zur Versöhnung und Akzeptanz ermutigt Alice Hofer auch, wenn Menschen zu ihr in die Praxis kommen. Sei es, weil sie eine verstorbene Person betrauern und versuchen, mit dem Schmerz und der Leere umzugehen. Sei es, weil sie sich frühzeitig mit der eigenen Vergänglichkeit auseinandersetzen.

Den eigenen Sarg mitgestalten

«Es ist schon bemerkenswert, wenn jemand zu mir in die Praxis kommt und den eigenen Sarg mitgestalten möchte», findet Alice Hofer. «Es ist ein Bekenntnis zur eigenen Vergänglichkeit.»

Eine Frau steht neben zwei bunten Särgen.
Legende: Ihre Kundschaft ist mehrheitlich weiblich: Alice Hofer in ihrem Sarg-Atelier. SRF / Julian Salinas

Wie genau dann der Prozess ablaufe, sei individuell. Falls jemand keine konkreten Vorstellungen hat, wie der Sarg oder die Urne aussehen soll, entwickelt man Ideen im Gespräch. So hat sich eine Kundin kürzlich für einen hellgrünen Sarg mit Schmetterlingen entschieden.

Im Sarg-Atelier steht aber auch ein blau bemalter Sarg, mit Meersand und echten Muscheln dekoriert. Dieses Modell hat Alice Hofer für sich selbst gestaltet.

Sendehinweis: «Tod – Das letzte Tabu»

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SRF widmet dem Thema Tod und Sterben eine vierteilige «Reporter»-Reihe:

  • Auf Einsatz mit der Palliativpflege (Sonntag, 24. November 2019, 22.35 Uhr, SRF 1)
  • Sterben auf Bestellung (Sonntag, 1. Dezember 2019, 22.25 Uhr, SRF 1)
  • Mein Kind ist unheilbar krank (Sonntag, 8. Dezember 2019, 22.25 Uhr, SRF 1)

Unterdessen sei sie aber unschlüssig geworden: «Ich finde die geflochtenen Särge auch sehr schön. Sie sind weicher, runder als die hölzernen.» Wie das Mose-Körbchen sind die Särge aus Weidenzweigen geflochten. «Mein Sarg soll dann mal mit Heu, Kornblumen oder Lavendel ausstaffiert sein. Das passt gut zu den anderen Naturmaterialien.»

Ungewöhnliche Urnen in einem weissen Regal.
Legende: Runde Sache: Diese Wasserurnen aus ungebrannter Keramik sind ökologisch abbaubar. SRF / Julian Salinas

Religion immer wieder Thema

Religion spiele mal mehr, mal weniger eine Rolle. «Wenn die Leute von sich aus das Thema ansprechen, gehe ich darauf ein», sagt Alice Hofer. Sie selbst ist konfessionslos. Vom Alter her seien die Menschen völlig durchmischt. Manchmal kämen auch Kinder vorbei, zum Beispiel «wenn sie ein Särgli für das verstorbene Haustier haben möchten.»

Ob denn mehr Frauen oder Männer zu ihr kommen, will ich von Alice Hofer noch wissen. «Mehr Frauen», sagt sie und ergänzt schmunzelnd: «Männer sind ja unvergänglich. Sie haben kein Problem mit dem Sterben, also müssen sie auch nicht darüber sprechen.»

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