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Lewitscharoff kritisiert Schluss mit Religionskitsch

Die Romane von Sibylle Lewitscharoff bewegen sich stets an der Schwelle von Rationalität und Spiritualität. Dabei stellt die Autorin klare Forderungen an die Leute und die Kirche.

Sibylle Lewitscharoff löst mit ihrer Dresdner Rede im März 2014 einen Eklat aus. Die Schriftstellerin bezeichnet Kinder, die auf den «abartigen Wegen» der künstlichen Befruchtung entstanden sind als «Halbwesen». Kurze Zeit später nimmt sie den Begriff zurück und erklärt ihr Bedauern.

Das eigentliche Anliegen ihrer Rede versinkt im Strudel der Empörung. Eigentlich will Sibylle Lewitscharoff die «Machbarkeit, die wissenschaftliche Bestimmung über Geburt und Tod» diskutieren.

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Sehen Sie hier die «Sternstunde Philosophie» vom 22. Januar mit Sibylle Lewitscharoff.

Wunschprodukt Kind

Die Menschen nehmen ihr Schicksal immer stärker selber in die Hand, bis hin zur Fortpflanzung. Sie bestimmen über alles. Religion, die mit Gottes Fügung Entlastung verspricht, gerät zunehmend in den Hintergrund.

«Wenn wir immer stärker versuchen, unser Schicksal zu bestimmen, sind wir immer öfter Schuldige, wenn etwas nicht gelingt», meint die Schriftstellerin.

Vom Optimierungswahn beseelt würden unsere Kinder zunehmend zu Wunschprodukten. Dagegen fordert Lewitscharoff mehr Demut, Dinge hinzunehmen. Auch die Tatsache, dass manche von uns keine eigenen Kinder bekommen können.

Nagende Zweifel bleiben

Religion riecht für Sibylle Lewitscharoff nach Kindheit. Sie denkt dabei an ihre Grossmutter. Eine liebenswürdige, fromme Frau. Sie erzählte gerne Geschichten aus der Bibel. Wegen ihrer Grossmutter ist Lewitscharoff bis heute nicht aus der Kirche ausgetreten, obwohl sie sich das durchaus überlegt hat.

Mit elf Jahren stirbt ihre Grossmutter. Im selben Jahr nimmt sich ihr Vater das Leben. Nagende Zweifel bleiben. Heute besteht der Kern des Glaubens für Lewitscharoff in der Hoffnung, «dass es doch bitte Gott geben möge». Aber auch in einer beglückenden Dankbarkeit für die schönen Seiten des Lebens.

Beiträge zum Thema

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Zwischen Diesseits und Jenseits

In ihrem jüngsten Roman «Das Pfingstwunder» erlebt die Hauptfigur, ein Dante-Forscher, gegen Ende des Buches ein wahres Wunder. Seine Kollegen werden bei einem wissenschaftlichen Kongress in einem Glücksstrudel fortgerissen und entschweben durch die Fenster gen Himmel. Er selbst bleibt zurück und muss sich fragen: Warum ich?

Pfeffer für die Kunst

Das Buch bewegt sich – wie so oft bei Lewitscharoff – an der Grenze zwischen Fakt und Fiktion, Diesseits und Jenseits. Zudem ist es eine kunstvolle Hinführung und Auseinandersetzung mit Dantes «Göttlicher Komödie».

Wunder, Religion und das Jenseits sind bei Sibylle Lewitscharoff, ähnlich wie für Dante, Pfeffer für die Kunst. Im Roman bezieht sich die Georg-Büchner-Preisträgerin explizit auf die Bibel. Religion ohne Vernunft kann sie sich nicht vorstellen. Widersprüche werden benannt.

Bücher von Lewitscharoff

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Brauchen wir eine Hölle?

Bald erklärt ihr Protagonist: «Ich hoffe inständig, dass die Folterer und Menschenschlächter, dass die Beamten und Dienstherren, die derartige Grausamkeiten anordnen und organisieren, bestraft werden.»

Da blitzt die Menschheitsfrage auf: Wie kann ein gütiger Gott das Leid in der Welt zulassen? Und müssen wir vielleicht die Idee einer Hölle wieder zum Leben erwecken?

Keine lahmen Reden mehr

Von den christlichen Kirchen erwartet Sibylle Lewitscharoff mehr Strenge und Klarheit. Die Botschaft werde immer flauer. Der religiöse Tiger sei zahnlos geworden. Nicht mehr als ein laues Lüftchen sei die religiöse Botschaft, Religionskitsch, der Sünden und Höllenstrafen ausblendet.

«Wenn man sich wie Hitler und Stalin gebärdet und dann fröhlich in den Himmel marschieren darf, dann frage ich mich: Wozu überhaupt Religion? Religion muss eine sittigende Wirkung entfalten und das kann man nicht nur durch lahme Reden», meint die streitbare Schriftstellerin in der «Sternstunde Philosophie».

Sendung: SRF 1, Sternstunde Philosophie, 22. Januar 2017, 11:00 Uhr.

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