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Alternative zum Camp Wäscheleine statt Stacheldraht: Wohngemeinschaft mit Flüchtlingen

Menschen auf der Flucht müssen nicht in Flüchtlingscamps landen. Alternative Wohnprojekte bringen europaweit Zugewanderte und Einheimische zusammen. In der Schweiz vermittelt ein Projekt Flüchtlinge an WGs.

Das Wichtigste in Kürze

  • Immer mehr Einheimische in Europa wollen Flüchtlingen eine Alternative zum Camp bieten.
  • Flüchtlinge werden in Hotels untergebracht oder als WG-Mitbewohner vermittelt.
  • Das Ziel: Statt die Flüchtlinge in Camps zum Warten zu verurteilen, sollen sie aktiv einbezogen werden.

Neulich war ich bei Rufael und Binja eingeladen, zwei Männer, die aus Eritrea geflüchtet sind. Sie haben gekocht, ein eritreisches Menu mit Fleisch, leckerem Gemüse und den feinen, weichen Fladen.

Essen in der Flüchtlingsunterkunft, in einem umfunktionierten Polizeiposten in Therwil, Kanton Basel Landschaft. Viererzimmer für alle, Kajütenbetten. In der Küche stehen nummerierte, mit Vorhängeschloss gesicherte Kühlschränke.

WLAN existiert nicht – Privatsphäre auch nicht. Rufael und Binja hätten es gerne anders. Es ginge auch anders.

Integrieren statt ausgrenzen

«Migration macht kreativ», sagt Miriam Behrens, Geschäftsführerin der Schweizer Flüchtlingshilfe (SFH) und verweist auf das Projekt «Gastfamilien», das seit vier Jahren Flüchtlinge an private Haushalte vermittelt.

Rund hundert Migrantinnen und Migranten hat die SFH in den Kantonen Genf, Waadt, Bern und Aargau mittlerweile platzieren können. Nur in zwei Fällen sei es zu einem Abbruch gekommen.

Fast überall, erzählt Miriam Behrens, sehe sie glückliche Gesichter, weil «beide Seiten von der Begegnung profitieren.» Auch anderswo gibt es Projekte, die Geflüchtete integrieren wollen, statt sie auszugrenzen.

Drei Personen machen ein Bett
Legende: Im Grandhotel Cosmopolis in Augsburg wohnen Migranten und Touristen. Reuters

Augsburg, Wien, Athen

Eins davon ist das Grandhotel Cosmopolis in Augsburg: 65 Flüchtlinge leben hier mit einem Dutzend Künstlerinnen und Künstlern und den Hotelgästen unter einem Dach.

Dieses «gesellschaftliche Gesamtkunstwerk» will keinen Unterschied machen zwischen den Einheimischen und den Zugereisten. Das Projekt hat Nachahmer, zum Beispiel das Hotel Magdas in Wien.

Einbeziehen statt warten lassen

In Athen gibt es seit einigen Jahren das Hotel City Plaza, in dem Geflüchtete selbstverwaltet und mit freundlicher Unterstützung der Nachbarschaft zusammenleben.

Das Hotel City Plaza, einst leerstehend, heute besetzt und umfunktioniert, steht für den Ansatz, Menschen auf der Flucht nicht in der Passivität, im ständigen Warten zu belassen, sondern sie einzubeziehen – mit Arbeiten in der Küche oder im Haus.

Migranten und Hotelgäste im Speisesaal des Grandhotel Cosmopolis.
Legende: Migranten und Hotelgäste im Speisesaal des Grandhotel Cosmopolis. Reuters

Unterkunft für Flüchtlinge

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Legende: SRF

Lofts auf Dächern, Häuser auf dem Wasser

Die verstärkte Migration hat auch Architektinnen und Architekten inspiriert. Sie machen Vorschläge für neue, andere Wohnformen. Nebst vielen anderen haben Studierende der Universität Hannover Modelle entworfen, wie Zugewanderte in die Städte eingegliedert werden könnten.

Sie schlagen vor: neue Aufstockungen, luftige Kleinlofts auf Flachdächern oder «Floating Houses» auf Gewässern, Holzcontainer, die ganze Baulücken füllen können oder auch «Wohnen im Zug», in einem ausrangierten Bahnhof.

Wohnen in der Gemeinschaft

Getragen werden diese Projekte von einer neuen Generation von urbanen, mobilen Kreativen, die sich ihrerseits als Nomaden sehen. Menschen wie Gian Andri Färber, Rechtswissenschaftler und Mitinitiant des Projekts «wegeleben».

«Wegeleben» vermittelt Zimmer in Schweizer Wohngemeinschaften an Flüchtlinge – ein Wort, das Färber vermeidet. Lieber spricht er von «Newcomern» und sagt, es gehe ihm mit dem Projekt darum, dass eine Selbstverständlichkeit wahr wird – die Möglichkeit für «Newcomer», in irgendeiner WG in der Schweiz ein Zimmer zu finden.

Das Projekt hat Erfolg. Bereits über 100 «Newcomer» hat «wegeleben» vermittelt. Rufael und Binja, sie könnten sich gut vorstellen, in einer WG zu leben.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 12.9.2017, 9.03 Uhr

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