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Weltbewegende Geschenke Die Giraffe, die in Frankreich Furore machte

In den 1820er-Jahren reiste eine Giraffe um die halbe Welt. Es war ein Geschenk, das der ägyptische Vizekönig Mehmet Ali Pascha dem französischen König Charles X. machte. Das Tier sorgte für Furore in Frankreich.

Wer hatte schon je eine Giraffe gesehen? Und nun dies: da legte in Marseille ein Schiff an, dessen zwei Masten ein langer Hals Konkurrenz machte. Man hatte eigens ein Loch ins Deck gesägt, schön mit Stroh gepolstert. Das exotische Tier hatte eine lange Reise hinter sich: vom Ufer des Blauen Nils über Kairo und das Meer. Drei sudanesische Kühe reisten mit, für die tägliche Ration Milch.

Serie: Weltbewegende Geschenke

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Zum Auftakt des neuen Jahres gehen wir auf Weltreise: SRF-Korrespondentinnen und -korrespondenten stellen besondere Geschenke vor, die Land und Leute bewegten: ein Hund, der das politische Image aufbessern soll, eine Buddha-Statue, die mitten in Lappland steht oder eine Giraffe, die Furore macht.

Mehmet Ali Pascha scheute weder Kosten noch Mühe, um den Europäern zu imponieren. Auch der englische König und der österreichische Kaiser erhielten ein ägyptisches Giraffen-Geschenk, in Schönbrunn und London überlebten die Tiere aber nicht. Einzig die französische Giraffe erreichte das schöne Alter von rund 20 Jahren, ganz genau weiss man es nicht.

Rosenblätter aus der Hand

Fürs französische Klima wurden ihr Ledergaloschen und ein Cape geschneidert; sie konnte es brauchen, beim Abmarsch in Marseille goss es aus Kübeln. Zwei Gendarmen reisten voraus, Kutschen mussten ausweichen. Dann kam das royale Tier, begleitet von einer Polizeieskorte, dem aus Paris angereisten Leiter des Naturhistorischen Museums, drei afrikanischen Giraffenführern und den sudanesischen Kühen.

Aix-en-Provence, Avignon, Lyon. Wo die Giraffe durchreiste, machte sie Furore. Der Volksmund nannte sie «Zarafa», nach dem arabischen Tiernamen, der auch in der deutschen «Giraffe» nachklingt. In Paris pilgerten Hunderttausende zu ihrem Gehege. Nur der eigentliche Beschenkte durfte nicht: Es sei nicht am König, zur Giraffe zu gehen, sondern an der Giraffe, vor den König zu treten, befand eine strenge Hofdame, und Charles X. musste sich knapp zwei Wochen gedulden, bis das Tier ihm endlich vorgeführt wurde. Mit einem Blumenkranz hoch oben auf dem Kopf; dann hat es dem König Rosenblätter aus der Hand gefressen.

Der letzte Schrei: Haare «à la girafe»

Alte Zeichnung von einer Giraffe und Abbildung eines Schädels.
Legende: Die Giraffe auf einer Illustration von Étienne Geoffroy Saint-Hilaire. Bibliothèque nationale de France

Die Giraffe war der letzte Schrei. Es kam zu einer regelrechten «Zarafamanie». Die Damen frisierten ihr Haar «à la girafe», hoch aufgetürmt. Die Herren trugen röhrenförmige Giraffenhüte und gescheckte Krawatten. Man ass von Porzellan mit Zarafas Bild, sie verzierte Kaminplatten, Tapeten, Handtaschen und Lebkuchen. Die Kinder sangen Giraffenlieder; im Théâtre du Vaudeville gab's «La Girafe» auf der Bühne, Balzac und Stendhal verliehen ihr literarische Ehren. Flaubert sah sie als Vierjähriger und vergass es sein Leben lang nicht. Selbst die Grippe des Jahres 1827 ging als Giraffengrippe in die Medizingeschichte ein.

Dann kam die Julirevolution 1830, und Zarafa war nicht mehr so wichtig. Sie lebte friedlich weiter, starb am 12. Januar 1845, wurde ausgestopft und kam 1931, weil es in Paris keinen Platz mehr für sie gab, ins Museum von La Rochelle.

Ganz in Vergessenheit geriet Zarafa aber nicht. Noch vor einem Jahr erzählte ein Trickfilm ihre Geschichte neu und flunkerte orientalisch hinzu. Und jedes Jahr im Karneval kommt sie auch wieder nach Paris: La girafe et son cornac, die Giraffe und ihr Führer, sind bis heute Verkleidungsklassiker.

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