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Mann mit grauem Bart, weissem Umhang und Kapuze
Legende: Viele Rituale neuheidnischer Gemeinschaften beziehen sich auf die Druiden der Kelten. Getty Images/Matt Cardy
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Irland im Umbruch Miraculix und seine Gefolgschaft der Neu-Druiden

Druiden kochen nicht nur Zaubertrank für Asterix und Obelix – sie sind ganz reale Gestalten und neuerdings als Religionsgemeinschaft anerkannt. Die Quellen ihres Brauchtums sind allerdings dürftig.

  • Rund 10'000 Menschen gehören dem Druidentum an, Tendenz steigend. Die meisten von ihnen stammen aus England und Irland.
  • Seit 2010 ist das Druidentum in Grossbritannien offiziell als Religion anerkannt.
  • Die Neu-Druiden beziehen sich auf die Priester des alten Keltentums. Diese führten kultische Handlungen durch und dienten ihren Herrschern als Berater, Diplomaten oder Heiler.
  • Was genau die Druiden taten und lehrten, ist nicht rekonstruierbar. Die Quellenlage ist dürftig.

Lesedauer: 12 Minuten

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«Selbstverständlich glaube ich an Feenbäume»
Aus Sternstunde Religion vom 14.01.2018.
abspielen. Laufzeit 10 Minuten 24 Sekunden.

Eimear Burke geht im wallenden Kleid um ein brennendes Feuer, das sie zuvor gesegnet hat. Sie murmelt keltische Gebete, ruft Götter herbei und wirft Papierfetzen ins Feuer, auf denen sie ihre Sorgen notiert hat. Das Ritual diene der inneren Reinigung, sagt die Druidin.

Viele Rituale führt die gebürtige Britin nicht alleine durch, sondern in Gruppen. Manchmal besuchen interessierte Dorfbewohner die regelmässig stattfindenden Rituale in ihrer «Druidry».

Tanzende Menschen vor Steinkreis
Legende: Um den 21. Dezember versammeln sich jedes Jahr Menschen bei Stonehenge in Südengland. Sie feiern die Wintersonnenwende. Getty Images/Matt Cardy

Die Druidenschule liegt in der Nähe von Kilkenny im Südosten von Irland. Sie verfügt über Gästehäuser für kleine Gruppen, die entweder bei Burke studieren oder ein Zeremoniell nachfragen – etwa eine Hochzeit, eine Taufe oder einen Abschied.

Gemäss einer Erhebung der BBC gibt es gegenwärtig rund 10'000 Menschen, die dem Druidentum anhängen, Tendenz steigend. Die meisten von ihnen stammen aus England und Irland.

Unklare Quellenlage zu keltischen Ritualen

Eimear Burke bezieht sich mit ihren Ritualen auf die Priesterkaste des alten Keltentums. Diese Priester oder eben Druiden waren gut ausgebildet und dienten ihren Herrschern je nach Weihegrad als Berater, Diplomaten oder Heiler. Sie weissagten auch die Zukunft und führten kultische Handlungen durch.

Was genau die Druiden taten und lehrten, ist indes nicht rekonstruierbar. Die Kelten bezogen sich nicht auf schriftliche Quellen.

Person mit Fell und Geweih auf dem Kopf hält Arme gegen die Sonne
Legende: Stonehenge ist nach der Position der Sonnenwende angeordnet. Getty Images/Matt Cardy

Die Beschreibungen der Druiden sind dürftig. Sie stammen aus griechischer oder römischer Feder, etwa aus einem Feldzugbericht des römischen Kaisers Julius Cäsar oder vom griechischen Geschichtsschreiber Poseidonios.

Auch christliche Mönche, die in Irland heimisch wurden, schrieben über die Druiden. Die Texte sind oft entweder beschönigend oder polemisch: Druiden wurden als sehr blutrünstig oder als sehr gebildet dargestellt.

Die Druiden selbst waren der Verschriftlichung ihres Wissens gegenüber skeptisch. Sie zogen aus Furcht vor Missbrauch die persönlich vermittelte Lehre vor. Die keltische Religion und Heilslehre ging so ins kulturelle Gedächtnis der Gemeinschaft über. Was sich aber wirklich zutrug, bleibt ein Geheimnis.

Frau mit weissen Linien im Gesicht und geschlossenen Augen
Legende: Nicht nur Druiden pilgern nach Stonehenge – auch andere Neuheiden und Touristen feiern die Wintersonnenwende. Getty Images/Matt Cardy

Menschenopfer als Moorleichen

Eindeutig ist immerhin, dass nicht alles so idyllisch zu und her ging, wie wir es von Miraculix aus «Asterix und Obelix» kennen – dem vermutlich berühmtesten Druiden unserer Zeit. Es wurden nicht nur Zaubertränke gebraut und Mistelzweige aufgehängt.

Ausgrabungen legen vielmehr nahe, dass die römischen und griechischen Schilderungen durchaus zutreffen. Darin ist von blutigen, religiösen Ritualen der keltischen Priesterkaste die Rede.

Nebst Tieropfern dürften auch Menschenopfer an der Tagesordnung gewesen sein. Funde von Knochen und sogenannten Moorleichen zeugen davon. Die Kelten glaubten an die Seelenwanderung. Weil das Moor als Übergang ins Totenreich galt, waren Menschenopfer in Mooren besonders häufig. Die Leichen wurden im sauren Milieu des Torfs über Jahrhunderte konserviert. Immer wieder stösst man beim Torfabbau in Irland auf einen grausigen Fund.

Eine Gruppe von Leuten in roten Kleidern singt
Legende: Mitglieder des Shakti Sings Choir ehren mit ihren Liedern die Erde. Getty Images/Matt Cardy

Die Kelten – ein barbarisches Volk?

Doch wer waren die sagenumwobenen Kelten? Die Frage ist nicht leicht zu beantworten (siehe Kasten).

Meinen wir damit die «barbarischen Bewohner des nördlichen und westlichen Europas», wie die Römer und Griechen sie nannten? Die Gallier im heutigen Frankreich? Die Keltiberer der iberischen Halbinsel? Die türkischen Galater? Die süddeutschen Helvetier – letztlich also unsere Vorfahren? Oder sie alle?

Wer waren die Kelten?

Der Sammelbegriff Kelten ist gemäss dem Keltologen Helmut Birkhan ein relativ junger Kunstbegriff für verschiedene Völker, die während der Eisenzeit – also etwa von 700 v. Chr. bis zur Zeitenwende – lebten. Die Kelten waren kein homogenes, zentral organisiertes Volk, sondern umfassten viele verschiedene Stämme, die in Mittel- und Westeuropa lebten. Gemeinsam war ihnen lediglich Sprache und religiöse Vorstellungen. Ob es in allen Stämmen Druiden gab, ist ungewiss. Die sichersten Informationen über die Kelten stammen von archäologischen Funden. Diese machen zumindest deutlich, was die Kelten nicht waren: weder die Errichter der englischen Steinkreise noch der französischen Hinkelsteine.

Eines ist klar: Bei ihren Zeitgenossen waren die keltischen Stämme allem Anschein nach nicht sehr beliebt. Es kursierten Gerüchte über ihre brutale und furchtlose Kriegsführung, ihre blutigen Rituale und furchteinflössenden Kriegsgesänge sowie ihren beeindruckenden Körperwuchs.

Diese Klischees waren wahrscheinlich auch mit ein Grund für die Vereinnahmung der Kelten durch die Nationalsozialisten. Man betonte gern die Abstammung von den unerschrockenen Kriegern und vermischte völkisches Denken mit keltischen Emblemen.

Schliesslich jedoch wurden die keltischen Gebiete in den letzten zwei Jahrhunderten vor Christus durch germanische Stämme und vor allem durch das Römische Reich immer stärker zurückgedrängt. Die Kelten – ausser jene auf den britischen Inseln – gingen darin auf und Druiden wurden mitunter verboten.

Frau legt flache Hände auf Stein
Legende: Stonehenge wurde in der Jungsteinzeit errichtet. Über den Zweck der Anlage gibt es verschiedene Theorien. Getty Images/Matt Cardy

Druidentum als anerkannte Religion

Erst im 19. und 20. Jahrhundert entstand das sogenannte Neu-Druidentum. Dieses bezieht sich zwar auf dürftige Quellen, zieht aber immer mehr Menschen in seinen Bann.

In Grossbritannien wurde das Druidentum 2010 offiziell als Religion anerkannt und damit im Status den christlichen Kirchen gleichgestellt – sehr zum Unmut anderer religiöser Gemeinschaften, die das Druidentum als Quacksalberei abtun. Das Argument der Befürworter: Die Verehrung von Naturgottheiten könne als religiöse Aktivität gesehen werden.

Zwei Frauen singen
Legende: Zum Teil vermischen sich neuheidnische Glaubensrichtungen mit anderen spirituellen und esoterischen Bewegungen. Getty Images/Matt Cardy

Auch wenn es Druiden in der Art von Miraculix vermutlich nie gab – Eimear Burke sieht dennoch aus wie die perfekte Kopie des greisen Zauberers: wallendes weisses Haar, samtene Umhänge, ein Wanderstab, der mit allerhand Federn und Tierhäuten geschmückt ist, ein Gurt mit einer Schnalle, an dem ein Beutel befestigt ist. Der beinhaltet zwar keinen Zaubertrank, aber immerhin Zaubersteine.

19 Jahre Studium

Burke ist studierte Psychologin und Krankenpflegerin. Doch in den hiesigen Krankenhäusern hat ihr die Verbindung zur Spiritualität und zur Kraft der Natur gefehlt. So richtig bewusst wurde ihr dies, als sie in abgelegenen Gebieten im südlichen Afrika als Krankenschwester arbeitete und mit der traditionellen Heilkunst in Berührung kam.

Aber da die afrikanische Kultur nicht ihre Heimat war, suchte sie nach ähnlichen Heilsbotschaften in der eigenen Tradition. Sie wurde im neuheidnischen Druidentum fündig. Druide kann jeder werden. Auch Frauen sind längst zur Ausbildung in den verschiedenen Druidenvereinigungen zugelassen. Das Studium dauert aber in der Regel satte 19 Jahre.

Drei Menschen halten sich an den Händen
Legende: Eine bunte Gruppe: Der Druide Arthur Uther Pendragon (Mitte) sieht sich als Reinkarnation von König Artus. Getty Images/Matt Cardy

Pantheismus, Schamanismus und Wiccas

Wie lebendig in diesem Studium das keltische oder vor-keltische Erbe ist, ist schwer zu sagen. Der Keltenforscher Helmut Birkhan bezeichnet die neopaganen Formen des Druidentums schlicht als «Mumpitz». Pantheistische Vorstellungen der Beseeltheit der Natur finden darin genauso Platz wie schamanische Rituale.

Helmut Birkhan

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Helmut Birkhan ist emeritierter Professor der Universität Wien. Er ist Linguist und Keltologe, hat sich über Jahre auch mit Alchemie beschäftigt und beherrscht verschiedene keltische Dialekte.

Zum Teil vermischen sich neuheidnische Glaubensrichtungen auch mit anderen spirituellen und esoterischen Bewegungen wie etwa dem Geheimbund der Wiccas, einem Hexenkult.

Zudem gab es auch unterschiedliche neuzeitliche Vertreter wie etwa der englische Antiquar William Stukeley, ein Pionier der Druidenbewegung, welcher zwischen Druidentum und Christentum viele Ähnlichkeiten sah und sowohl praktizierender Christ wie auch Druide war.

Mann in schwarzem Umhang mit Kapuze steht mit geschlossenen Augen vor Steinkreis
Legende: Pantheistische Vorstellungen der Beseeltheit der Natur finden im Druidentum genauso Platz wie schamanische Rituale. Getty Images/Matt Cardy

Und jungsteinzeitliche Monumente wie Stonehenge in England oder Newgrange in Irland werden von den verschiedensten neuheidnischen Gruppierungen als ihre religiöse Stätte reklamiert. Alle berufen sich auf ihre angeblich jahrtausendealte Tradition, obwohl die Quellenlage äusserst dünn ist.

Für Eimear Burke sind die verschiedenen Traditionen kein Problem – es geht für sie ohnehin stets um dasselbe: um die Einsicht, dass die Natur uns alles schenkt, was wir brauchen, dass eine Welt von Feen und Göttern uns umgibt und dass wir mit dieser Welt in Kontakt treten können.

Feenbäume, Folklore und Tolkien

Dass gerade in Irland naturreligiöse Bewegungen blühen, dürfte damit zu tun haben, dass die Iren traditionell stark mit der Natur verbunden sind. Noch heute sieht man auf Feldern einzelne knorrige Bäume, die nicht gefällt werden, weil es sich um «Feenbäume» handelt: Wohnorte von Feen, deren Unmut man nicht erregen sollte.

Dass die Feenwelt seit einiger Zeit ein Revival erfährt, hängt nicht zuletzt auch mit dem Werk des britischen Fantasy-Schriftstellers J. R. R. Tolkien zusammen. Er siedelte seine Epen in einer keltischen Kunstwelt an, in der auch die Feen eine prominente Rolle spielen. Selbst in Österreich seien deshalb Elfenbäume in Mode gekommen, erzählt Birkhan.

Frau steht mit erhobenen Händen und geschlossenen Augen vor Steinkreis
Legende: Alle neuheidnischen Gruppierungen berufen sich auf jahrtausendealte Traditionen. Quellen dafür gibt es aber nur wenige. Getty Images/Matt Cardy

Triskele, die dreiarmige Spirale

Der Baum als heilige Kultstätte ist in der Volksfrömmigkeit vieler Länder zu finden. Für Birkhan sind die Feenbäume eine Wiederbelebung dieser alten Tradition, die in Irland besonders verbreitet war.

Der Volksglaube konnte sich in Irland ausserdem besonders gut halten, weil die ersten christlichen Mönche traditionelle Glaubenssätze geschickt ins Christentum einbanden. So hat beispielsweise der Mönch St. Patrick den Iren anhand des Kleeblattes die Dreifaltigkeit Gottes erklärt.

Die Idee der Dreiheit war den Iren bestens vertraut: Die Triskele, die dreiarmige Spirale, stand für sie immer schon für die Einheit von Himmel, Erde, Meer oder von Leben, Tod und Wiedergeburt. St. Patrick deutete die Triskele grosszügig um in ein christliches Symbol. Im Kleeblatt, dem inoffiziellen Nationalsymbol von Irland, findet sich die Tradition der Dreiheit wieder.

 Junge Frau spielt Flöte, junger Mann hält Arm um sie
Legende: Die Wintersonnenwende markiert für die Neuheiden die «Wiedergeburt» der Sonne für ein neues Jahr. Getty Images/Matt Cardy

Sehnsucht Naturmystik?

Eine ähnliche Vermischung von traditionellem Wissen und christlicher Heilslehre lässt sich beim heiligen Berg Irlands, dem Croagh Patrick, beobachten. Am «Garland Sunday» dient er christlichen Pilgern als Wallfahrtsort und auch Neuheiden verehren ihn.

Sowieso ist der Naturbezug bei den Neuheiden ein ganz entscheidender Punkt und sicher einer der Gründe für deren Erfolg. Der Rückbezug auf eine weit entfernte Zeit, in welcher man den Menschen in der Natur verwurzelt glaubte und von Göttern behütet, scheint in einer hektischen, technologisierten Welt geradezu eine Verheissung zu sein.

Person in weissem Gewand hält sich Efeukranz über Kopf
Legende: Der Naturbezug ist den Neuheiden wichtig. Er ist sicher auch Grund für die wachsende Zahl ihrer Anhänger. Getty Images/Matt Cardy

Am Ende unseres Besuches in der Druidry von Kilkenny fragen wir Eimear Burke, ob sie unsere Zukunft weissagen könne. Sie verneint – das hätten stets nur ganz bestimmte Druiden gekonnt.

Dafür lädt sie uns zu einem köstlichen Mahl ein an einem Tisch, der mit allerhand Federn, Kerzen und Kristallen geschmückt ist. Bevor wir essen, werden das Wasser im Krug und das Brot mit murmelnden Worten gesegnet.

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