1. Weihnachtsrummel
Das Freitagsmagazin rechnet ab: «Es war einmal ein liebes Weihnachtskind». Und nach der biblisches Rückblende kommt der alltägliche Weihnachtseinkaufsstress. Wer sich da in die «Schlacht des Freudebereitens» stürze, sei verloren.Volle Geschäfte, die Wahl der Qual: Raketen oder Panzer für den Kleinen? Flauschiges für die Kleine. Socken als «die Nummer sicher». Verruchte Dessous? Besser nicht! Böse Wortspiele am Packtisch: «Pack's, pack's. Pax. Ja, das Fest des Friedens …». Sieben Patenkinder wollen zufriedengestellt sein und die Arbeitskollegen. Weihnachten als menschliche Grenzsituation. Das Freitagsmagazin liefert den Anti-Kommerz-Beitrag schlechthin.
2. Drohende Fresswelle
Bebop als Klangteppich, nervenzerrend. Darauf montiert: Alles, was durch den Magen muss: Delikatessen. Leber und Salm. Nichts für «Galle- und Leberleidende», weiss der Kommentator. Fettes und Geräuchertes – da heisst es Finger weg für Herzkranke. Die verzichten besser auch auf Hummer und Crevetten. Die Magenkranken besser auf Alkohol, Tabak und zuviel Schoggi.«Essen Sie das alles nicht», sagt der Sprecher. Weihnachten mache krank. Eine Tasse Tee und etwas Zwieback sind die Mütter der Porzellankiste. Ernst gemeint ist das alles nicht. Eine Satire auf die Diätplanung, die jedes Jahr an Weihnachten neu ausbricht.
3. Alle Jahre wieder
Hier kann man sich anschauen, wie gut es schmeckt, wenn man den vorherigen Beitrag einfach ignoriert. Ein Opa isst. Das Wort «essen» ist höflich. Ein ganzes Huhn zum Einstieg. Beim Zerteilen macht's noch «Kikeriki». Gespült wird mit reichlich Rotem. Aufnahme der Speiseröhre von innen: Das rutscht. Opa strahlt. Schnitt.Der Enkel sitzt unterm Tannenbaum und fährt schon mal den Panzer vor. Das Fest der Liebe in Schwarz-Weiss. Schnitt. Und noch ein Kilo Vermicelles für den Opa hinten drauf. Nachdem die ersten 12 Suppenlöffel unten sind mit viel Rahm – Schnitt. Und die Explosion einer Atombombe.
Und heute?
Die Weihnachtszeit ist stressig. Ein grosser Anteil des gesamten Jahresumsatzes wird hier eingefahren. Weihnachten heisst Freude machen. Und das heisst kaufen. Nicht für alle. Aber für viele.
Jedes Jahr um dieselbe Zeit kommt die Kommerzkritik. Auch das gehört zum Ritual. Das ganze Jahr über gäb's genügend Zeit, über das eigene Kommerzverhalten nachzudenken, aber nein: Ausgerechnet dann, wenn es so richtig schön etwas einzukaufen gäbe, dann kommt die Kommerzkritik.
«Wir schenken uns dieses Jahr ja nichts!» Hiess es mal in den 80er-Jahren. Hielt damals nicht lange. Kommt gerade wieder.
Mit dem Essen verhält es sich nicht viel anders. War in den 1960er-Jahren die Wertschätzung für die Gäste an der Grösse des Bratens ablesbar, hat sich da doch etwas verändert: Mancher tischt heute Rohkost auf mit der Begründung: «An Weihnachten wollen wir mal gesund!» Dann nicken alle.
Zum Dessert einen Herzkatheter
Alle stimmen lauthals zu: «Ja, genau, meine Rede. An Weihnachten mal gesund. Gott bin ich froh. Wisst ihr noch, früher, dieses fette Essen. Also nein. Da konnte man sich zum Dessert ja gleich den Herzkatheter legen lassen.»
Aber insgeheim freuen sich alle schon auf den Heimweg, wo man ungeniert über den Gesundheitsfimmel der Gastgeberin herziehen kann.
Warum muss das Gesundheitsbewusstsein ausgerechnet zwischen Heiligabend und Neujahr auf seinem Zenit sein?
Für ein schlechtes Gewissen gäb's doch den Rest des Jahres Zeit genug. Warum nicht einmal im Jahr einfach über die Strenge, Stränge schlagen?
Weit weg von Weihnachten
Das ist alles weit entfernt von der Grundidee einer christlichen Weihnacht. Die stille Nacht von damals hat mit den Glühweinsausen von heute wenig gemein.
Eigentlich feiert man in dieser Nacht die Geburt eines Kindes. Das etwas ganz besonderes ist. Aber starten tut der Kleine ohne Nanny und mit improvisierter Windel in einem Heuschober. Mehr braucht es nicht. Alle freuen sich. Auch das Vieh. Und in den Lüften schallt es.
Mehr als 2000 Jahre später erinnern sich Menschen an diese Nacht. Viele erinnern sich und viele haben «es nicht mehr so auf dem Schirm», wie das heute bisweilen heisst.
Vielleicht kommt man da wieder hin, sich freudig zu erinnern – mit oder ohne Braten ist eigentlich egal. Wenn wir die Fähigkeit, uns zu freuen, verlieren, helfen auch Geschenke nicht.
In diesem Sinne wünscht Ihnen Ihr Archivar: Eine frohe und gesegnete Weihnacht. Und Friede auf Erden allen Menschen.