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Kunst Der Sandkünstler vom Bodensee

Elefanten, Heiligenfiguren oder Menschengestalten ganz aus Sand. Und mitten drin steht Urs Koller. Der Ostschweizer Bildhauer hat in Rorschach an den Gestaden des Bodensees ein internationales Sandskulpturenfestival ins Leben gerufen.

Körnchengenau bringen Künstler mit kleinen Spachteln oder Spaten, Pinseln oder Zahnbürsten ihre Kunstwerke in Form. Lose Sandkörner pusten sie mittels eines Röhrchens weg. Jedes Team braucht zirka 18 bis 24 Tonnen Sand. Die Regeln sind einfach: Jede Skulptur darf nur aus Sand und Wasser entstehen.

Sandskulpturen-Festival

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In Rorschach findet vom 16. August bis 6. September zum 17. Mal das internationale Sandskulpturen-Festival statt.

Seit 17 Jahren finden Skulpteure aus ganz Europa den Weg zum Bodensee, um dort ihre Sandkunst zu zeigen. Nur Schweizer Teams fehlen in Rorschach, «weil wir ein Binnenland ohne Meeresanstoss sind», mutmasst Koller.

Kunst aus Sand und Eis

Urs Koller ist gelernter Bildhauer. Doch schon während seiner Ausbildung hat er Feuer für Eis- und Schneeskulpturen gefangen. «Dieses riesige Volumen fasziniert mich. Eis wirkt statisch, und ist doch ein sehr dynamischer Stoff.»

Mit einem Leuchten in den Augen erzählt der Künstler, wie eine seiner Figuren förmlich von Sonnenstrahlen durchbohrt und neu geformt wurde: «Sie sah aus, wie aus einer zerbrochenen Autoscheibe gemacht.»

Kunstwerke, die zu verinnen drohen

Seine erste Sandskulptur baute er 1998. Damals wurde er zu einem Festival nach Moskau eingeladen. Eine grosse Herausforderung für den Eis- und Schneebildner. Er merkte bald: Diese Kunst ist wortwörtlich auf Sand gebaut, sie droht ständig zu verrinnen.

«Damit die Skulptur in Form bleibt, muss der Sand gut bewässert sein», sagt Koller, der damals mit einem Kollegen angereist war. «Motiviert legten wir los, aber es wollte nicht recht klappen. Bis Mitkonkurrenten uns anvertrauten, dass unsere Skulptur wohl nur mit viel mehr Wasser überleben könne.» Es funktionierte: Die beiden erschufen einen drei Meter hohen Frauentorso, umringt von lauter kleinen Bildhauer-Figuren.

Täuschend echte Gesichter

Die Begegnungen in Russland inspirierten Koller, in seiner Heimat am Bodensee auch ein Festival ins Leben zu rufen. «Der Bodensee bietet Sand und Strand. Ein Ort, der sehr viel zum Zauber beiträgt, den Sandskulpturen verströmen.»

Verzaubert und zugleich beobachtet fühlt man sich als Betrachter dieser Kunst. Denn aus den Sandbergen heraus betrachten einen täuschend echte Gesichter, verzerrte Fratzen oder Totenköpfe.

Synphonie im akustischen Vakuum

Von jedem seiner Werke verabschiedet sich der Künstler für immer. Dass er eine Skulptur aufrichtig vermisst, war bisher nur einmal der Fall. «Es war die perfekte Schneekugel», erinnert sich Koller. Diese hatte er und sein Team aus einem Riesenklumpen Schnee gefräst und geformt. In ihrem Innern schafften sie eine Liege à la Corbusier, ganz aus Eis.

«Durchs Dach haben wir mit der Kettensäge fünf Linien gezogen, als Symbol für leere Notenlinien. Im akustischen Vakuum der Schneekugel konnte sich der Besucher seine eigene Symphonie komponieren». Diese Figur vermisst Koller noch heute. Dennoch kann er es nicht lassen, vergängliche Kunst zu schaffen. Er reist als Eis- Sandskulpturenkünstler durch die Welt. Eines seiner Höhepunkte war das berühmte Eisskulpturenfestival im chinesischen Harbin.

Ein Mann sitzt vor einer Leinwand und malt ein Bild.
Legende: Wenn nicht Skulpturen, dann Malerei: Urs Koller in seinem Atelier. Sulamith Ehrensperger

Malerei und Bronze

Wenn Koller nicht an Skulpturen arbeitet, beschäftigt ihn die Malerei. An seinen Porträts schafft er solange «bis es mich aus diesem abstrakten Farbenzusammenstellen beinahe anspringt oder anhaucht».

Er stammt aus einer Theaterfamilie. Vater Stefan Koller war Beleuchter- und Bühnentechniker im Theater und am Opernhaus. Schon als Kind in Berührung mit Kultur und Kunst gekommen, schuf Urs Koller mit 15 Jahren seine erste Bronzeskulptur. Ein Material, das ihn noch heute begleitet.

Hafenkneipe als Schaffensort

In seinem Atelier in Rorschach schafft Koller Kunst, die erhalten bleibt. Aus Wachs formt er Menschenfiguren in Bewegung, die er in Bronze giesst. Sein Atelier war früher einmal «Captain Joes Hafenkneipe», deren rauen Charme der Ort noch heute ausstrahlt.

Das Atelier ist nur ein paar Schritte vom Bodensee entfernt. Koller ist an dessen Gestaden aufgewachsen und ist aus seinem Leben nicht mehr wegzudenken. Koller erinnert sich, wie er damals mit den ersten Sonnenstrahlen des Frühlings mitsamt den Kleidern ins Wasser sprang, wie er Hütten aus Schilf baute und mit seinem Vater eine uralte Holzgondel erstand. «Immer wenn es regnete musste ich diese auspumpen, damit sie nicht im See versank.»

Abstand zum Ufer – und zum Alltag

Heute verbringt Koller seine freien Momente mit seinen drei Kindern am Bodensee. «Für mich ist der See keine Grenze. Er verbindet uns mit unseren Nachbarländern und rückt uns näher zusammen.»

Mit seinem Segelboot fährt er von Hafen zu Hafen, um Denkweite zu gewinnen. «Der Abstand zum Ufer lässt mich Abstand zum Alltag nehmen. Ich klinke mich aus und finde die Ruhe auf dem Wasser. Zurück im Hafen fühle ich mich geerdet.» Am liebsten würde er mit seinem Boot einmal um die Welt segeln. Ein Wunschtraum, den er sich in seinem Leben noch erfüllen möchte.

Dieser Artikel erschien ursprünglich bei 3sat.de.

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