Zum Inhalt springen

Header

Inhalt

Kunst Fotos zeigen: Menschen bei der Arbeit – und Arbeit ohne Menschen

Landis & Gyr hatte den Hauptsitz in Zug. Von dort aus ist das kleine Unternehmen für Stromzähler zur Weltmarke gewachsen. Eine Foto-Ausstellung über 100 Jahre Firmengeschichte zeigt exemplarisch, wie die industrielle Arbeitswelt der Schweiz sich im 20. Jahrhundert verändert hat.

Eine schlichte Halle in Zug. Am Boden Spannteppich, die Backsteinmauern weiss getüncht. Nichts besonderes, eigentlich. Aber natürlich ist es kein Zufall, dass die 360 Fotografien des Landis & Gyr-Archivs hier gezeigt werden. Denn diese Halle war die erste Werkhalle des Unternehmens in Zug.

Die Ausstellung beginnt mit über 100 Jahre alten Fotografien von genau dieser Halle. Sie ist vollgestellt mit Maschinen, unaufgeräumten Werkbänken und Bürotischen. Es wirkt, als hätte die Belegschaft ihre Arbeitsplätze gerade eben fluchtartig verlassen.

«Jedes Bild ist durchkomponiert»

Das liege an den beschränkten Möglichkeiten der damaligen Technik, sagt der Kurator der Ausstellung, Guliano Bruhin vom Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich: Man habe damals die Fabriken immer leer fotografiert. Weil alles, was sich bewegt hätte, auf den Bildern nur verschwommen zu sehen gewesen wäre. «So entstand im Nachhinein der Eindruck, die Fabrik stehe still. Da arbeite ja niemand.»

Ausstellungshinweis

Box aufklappen Box zuklappen

Im Jahre 2010 übernahm die ETH Zürich das Firmenarchiv des früheren Elektrokonzerns Landis & Gyr. Zum Fundus gehören rund 300'000 Fotos. Gut 360 sind jetzt in der Shedhalle Zug zu sehen. Die Ausstellung «Zählen, Messen, Steuern, Regeln» dauert noch bis zum 4. Dezember 2015.

Mit den technischen Fortschritten in der Fotografie gelingt es dann aber bald auch, die Arbeiter ins Bild zu setzen. Sie hämmern, stanzen, fräsen und schweissen. Doch die Menschen wirken hölzern. Bei der Industriefotografie sei immer alles sehr stark inszeniert, sagt Bruhin. «Jedes Bild ist durchkomponiert.»

Die Bilder dienten vor allem zu Werbezwecken, aber auch der Kommunikation nach innen. Ab 1949 informierte eine Hauszeitschrift die Arbeitnehmer über alle Belange in der Firma. Auch mit dem Ziel, die Identifikation mit Landis & Gyr zu stärken. Artikel über die Arbeitssicherheit, das firmeneigene Freizeitangebot, die Betriebskantine oder Jubiläumsanlässe wurden immer auch von Bildern des hauseigenen Fotografen begleitet. Das riesige Fotoarchiv wurde nun vom ETH Archiv für Zeitgeschichte erschlossen.

Wandel der Firmenkultur

Vom Förderband der 1930er-Jahre, über die erste riesige Rechenmaschine, hin zum ersten Personal Computer. Oder vom Industriearbeiter zum eleganten Manager: Die Bilder zeigen eindrücklich, wie sich die Firmenkultur und vor allem die Arbeitsweise, über die Jahrzehnte gewandelt hat.

Je globalisierter die Zeiten, desto grösser der Verwaltungsaufwand. Grossraumbüros mit Angestellten, die vor Computern sitzen, machen es für den Firmen-Fotografen schwierig, den spezifischen Arbeitsalltag bei Landis & Gyr zu dokumentieren. Beim Betrachten der Bilder wird immer schwerer nachvollziehbar, welche Funktion ein Angestellter hat.

Und: Je näher am Computerzeitalter, desto weniger Angestellte sind wieder zu sehen. Eine Fotografie aus dem Jahre 1981 zeigt einen komplett verwaisten Computer-Testraum. Der Mensch ist ganz aus dem Bild verschwunden – wie zu Beginn der Industriefotografie - einfach unter anderen Vorzeichen.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 10.11.2015, 07:20

Meistgelesene Artikel