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Kunst Harsche Kritik für den Umgang der Schweiz mit Raubkunst

Ronald Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses, sprach in Zürich über Raubkunst in der Schweiz. Ein Lob bekam der Bundesrat für sein Bestreben, die Herkunftsforschung in der Kunst zu fördern. Daneben gab es vor allem Tadel, speziell für das Kunstmuseum Bern: Lauder riet vom Gurlitt-Erbe ab.

Er betrat den Vortragssaal des Zürcher Kunsthauses, sprach exakt 30 Minuten über die Raubkunst in der Schweiz, dann verliess er den Raum. Keine Frage: Ronald Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses und Kunstsammler, mochte am Dienstagabend im Zürcher Kunsthaus weder Fragen beantworten noch diskutieren. Obwohl die Mikrofone fürs Publikum parat gewesen waren.

Von der Überraschung zum Schock

In seinem Referat forderte Lauder die Schweiz auf, sich ernsthaft mit dem Thema Raubkunst auseinanderzusetzen. Er sei immer davon ausgegangen, dass Restitution still vonstattengehen. Heute sei es anders. Erstens wegen der Gurlittsammlung und zweitens, weil die Sammlung in die Schweiz komme.

Ronald Lauder

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Ronald Lauder ist nicht nur Präsident des World Jewish Congress, sondern – als milliardenschwerer Kosmetikerbe – auch Kunstsammler. Er setzte sich massgeblich für das Zustandekommen der Washingtoner Erklärung ein. Das Abkommen, welches auch die Schweiz unterzeichnet hat, verlangt, dass bei Raubkunst eine gerechte Lösung für die Erben gesucht wird.

«Aus meiner Überraschung über den Gurlitt-Fund wurde ein Schock. Ich war schockiert, dass die Sammlung ins Berner Kunstmuseum kommt», sagte Lauder. Denn das mache keinen Sinn: «Warum will ein Museum die Sammlung eines Mannes, der Teil der Nazi-Maschinerie war?» fragte er, um dann nachzuschieben: «Hätte ein Museum eine Heinrich-Himmler-Sammlung angenommen?»

Doch noch Lob

Daraufhin skizzierte Ronald Lauder die Rolle der Schweiz. Im Zweiten Weltkrieg sei sie eine wichtige Drehscheibe für den Kunsthandel gewesen – ein schmutziges Geschäft. «Neutral zu sein, war nicht nur bequem, sondern auch lukrativ», sagte Lauder.

Neben der Peitsche hatte Ronald Lauder aber auch Zuckerbrot im Gepäck – zuerst für Isabelle Chassot, Direktorin des Bundesamtes für Kultur. Sie hatte im Herbst 2015 erstmals gesagt, die in der Schweiz übliche Unterscheidung zwischen Raubkunst und Fluchtgut sei zu abstrakt. Die deutsche Bezeichnung «NS-verfolgungsbedingte» Verluste sei viel präziser. Lauder pflichtete ihr bei.

Einwandfreie Herkunftsforschung gefragt

Eine andere Entwicklung in der Schweiz, die Lauder gefällt: Der Bundesrat will, dass öffentliche und private Sammler die Herkunftsforschung ihrer Bestände intensivieren. Zwei Millionen Franken stellt der Bund für die nächsten fünf Jahre zur Verfügung. Eine nicht einwandfreie Herkunftsforschung sei ein Risiko für den guten Ruf der Schweiz, sagte Lauder.

Seine Rede schloss er erneut mit einem Appell: Die Schweiz müsse eine unabhängige Expertenkommission etablieren. Aufgrund ihrer historischen Verantwortung und des nun in die Schweiz kommenden Gurlitt-Erbes müsse sie vor allen anderen Ländern Recht schaffen und die Fortsetzung des Verbrechens stoppen.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 2.2.2016, 17:06 Uhr

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