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Der Umgang mit Kunst aus DDR-Zeiten
Aus Kultur kompakt vom 29.07.2019. Bild: Jürgen Schäfer
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Kunst aus der DDR Die Bilder der Anderen

In der DDR gab es angepasste Künstlerinnen und Künstler. Aber auch solche, die sich gegen das Regime auflehnten. Ihre Werke waren und sind kaum zu sehen.

Der Kunstwissenschaftler Paul Kaiser kritisierte dies öffentlich und löste damit eine Debatte aus über den Umgang mit Kunst aus DDR-Zeiten. Nun sind einige Museen daran, diese Zeit aufzuarbeiten. Kaiser selbst kuratiert eine Ausstellung im Leipziger Museum der bildenden Künste.

Paul Kaiser

Paul Kaiser

Kulturwissenschaftler

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Paul Kaiser (*1961) ist ein deutscher Kunstwissenschaftler, Kurator und Publizist. Er gilt als Experte für ostdeutsche Kunst und entfachte 2017 den sogenannten Dresdner Bilderstreit, als er in der Sächsischen Zeitung die mangelnde Präsenz von DDR-Kunstwerken kritisierte.

SRF: Was macht DDR-Kunst aus?

Paul Kaiser: DDR-Kunst als solche gibt es nicht. Es gibt sie nur in einem engen Zusammenspiel, als politisches Projekt, also politische Kunst. In dem Sinne: affirmativ kommunistische Kunst mit der DDR. Die Mehrheit der in Ostdeutschland entstandenen Kunst ist keine DDR-Kunst, sondern eine deutsche Kunst, die in den ostdeutschen Regionen entstanden ist.

Ein Gemälde: zwei Leute ertrinken in einem bläulichen Lehm.
Legende: Norbert Wagenbrett: «Aufbruch», 1989/90. VG Bild-Kunst Bonn, 2019

Trotzdem wird dieser Kunst nachgesagt, sie sei entweder Diktatorenkitsch oder Kunst, die im Auftrag der Politik entstand. Ist das zu eng gesehen?

Die Grenzen sind fliessend. Blickt man auf die Biografien von Künstlerinnen und Künstlern, kann man nicht sagen. Der Künstler ist 40 Jahre lang ein Apologet des Systems gewesen. Im Gegenteil, eher typisch in diesen Laufbahnen sind harte Biografiebrüche.

Etwa bei Willi Sitte, der wohl bekannteste Künstlerfunktionär in der DDR. Er war bis zu seinem 40. Lebensjahr ein Dissident, dann erst machte er Karriere im System.

Ein Gemälde: eine violette kreatur schneidet sich die Zunge ab.
Legende: Trak Wendisch: «Zungenabschneider», 1988. VG Bild-Kunst Bonn, 2019

Ohne zu urteilen, es gab auch Künstlerinnen und Künstler, die Dissidenten blieben. Weshalb wird diese Kunst verkannt?

Das Problem der dissidentischen Kunst ist, dass sie sich folgenlos an der Reaktivierung und Revitalisierung der klassischen Moderne versucht hat. Wir wissen heute, dass es viel eigensinnige, eigenwillige Wege ostdeutscher Künstler gab, die es wert sind, in den Kontext einer gesamtdeutschen Kunstgeschichte aufgenommen zu werden.

Ein gelb-oranges Bild mit dunklen Streifen.
Legende: Cornelia Schleime: «o. T.» (aus: Horizontebilder), 1985/86. InGestalt / Michael Ehritt / Cornelia Schleime

Weshalb ist der Umgang mit der Kunst aus der DDR-Zeit so schwierig für viele Museen, vor allem im Osten?

Weil das Phänomen kontaminiert ist, mit sehr vielen Missverständnissen, vor allen Dingen zwischen Ost- und Westdeutschen.

Beim Zusammenwachsen nach der deutschen Wiedervereinigung wurde am Fall der bildenden Kunst ein Stellvertreterstreit entfacht. Seit 30 Jahren geht es darum, ob die im Osten geschaffene Kunst in den Kanon der gesamtdeutschen Kunstentwicklung überhaupt aufgenommen werden kann.

Das hat zu enormen Friktionen und Kränkungen auf Seiten der ostdeutschen Künstler und zu einem Überlegenheitsgefühl vieler Westdeutscher Museumsleute und Kritiker geführt.

Ausstellungshinweis

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Das Museum der Bildenden Künste in Leipzig (MdbK) zeigt die Ausstellung «Point of No Return: Wende und Umbruch in der ostdeutschen Kunst» vom 23. Juli bis am 3. November 2019.

Wie gehen die Künstler mit dieser Situation um?

Unterschiedlich. Es gibt wenige, für die es kein Problem war, in diesen westdeutsch gesamtdeutschen Kontext aufgenommen zu werden. Für die Mehrzahl war es aber eine riesige Existenzkrise, die nach 1989 spürbar war, weil es etwa keine Galerien gab.

Bis heute gibt es für diese Generationen der ostdeutschen Künstlerinnen keine nennenswerten Galerien oder Messen. Ihre Kunst konnte folglich gar nicht international zirkulieren.

Das hat sich erst seit einigen Jahren aufgelöst. Es gibt jetzt Museen, die sich dieser Kunst als einer nachholenden Gesamtbetrachtung der gesamtdeutschen Nachkriegskunst zuwenden.

Ein Gemälde: eine Frau sitzt oben ohne auf einem Stein. Sie hat eine üppige, rote Kopfbedeckung.
Legende: Clemens Gröszer: «Marin á cholie», 1991/92. VG Bild-Kunst Bonn, 2019

Wenn es nach Ihrem Wunsch ginge: Wie soll der Umgang mit der Kunst aus DDR-Zeiten aussehen?

Der Wunsch wäre, dass Medienleute aus der Schweiz, Österreich oder Frankreich in fünf Jahren ihre Fragen nicht mehr mit der DDR-Kunst beginnen, sondern mit der legitimen Frage: «Was ist mit dem ostdeutschen Teil der gesamtdeutschen Kunstgeschichte passiert?»

Das Gespräch führte Vanda Dürring.

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