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Kunst Pioniertat: So geht das Kunstmuseum Bern mit dem Gurlitt-Erbe um

Das Kunstmuseum Bern nimmt das Erbe von Cornelius Gurlitt an. Die schwierige Herkunft des Erbes machte den Entscheid nicht leicht. Zusammen mit den deutschen Behörden wurden nun aber Lösungen gefunden. Teilweise setzen sie neue Massstäbe im Umgang mit Raubkunst.

Matisse, Picasso, Monet: Solche Werke machen die Sammlung Gurlitt so spannend. Dass es sich teilweise um Raubkunst handelt, macht die Sammlung zu einem heissen Eisen. Das Kunstmuseum Bern hat trotzdem entschieden, das Erbe anzunehmen. Gemeinsam mit den deutschen Behörden gab es heute in Berlin bekannt, wie mit Gurlitts Erbe verfahren wird. Die wichtigsten Punkte:

  • Raubkunst, oder Werke, bei denen Verdacht auf Raubkunst besteht, bleiben in Deutschland. Ihre Herkunft wird von der bestehenden Expertengruppe weiter abgeklärt und gegebenenfalls zurückgegeben.
  • Der deutsche Staat übernimmt die Kosten bei allfälligen Klagen.
  • Das Kunstmuseum Bern hat sich bereit erklärt, Kunstwerke, die als «entartete Kunst» galten und konfisziert wurden, den betroffenen Museen als Leihgaben zu überlassen.

Drei Bilder sind Raubkunst

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Bis jetzt sind drei Werke als Raubkunst identifiziert worden: «Sitzende Frau» von Henri Matisse, «Das Klavierspiel» von Carl Spitzweg sowie «Zwei Reiter am Strand» von Max Liebermann. Die Werke sollen zurückgegeben werden. Gurlitts Geschäftsbücher sind auf «Lostart» eingestellt worden. Ein erster Schritt zu mehr Transparenz.

Nur etwa ein Drittel kommt nach Bern

Die Kunstsammlung von Cornelius Gurlitt umfasst etwa 1600 Gemälde, Zeichnungen und Grafiken. Davon besteht etwa bei einem Drittel Verdacht auf NS-Raubkunst. Bei einem weiteren Drittel handelt es sich um sogenannt «entartete Kunst». Bleibt ein letztes Drittel, das vermutlich in Bern in die Sammlung integriert werden soll.

Beim Kunstmuseum Bern ging man lange davon aus, dass man das Erbe nicht annehmen werde. Dies gab der Stiftungsratsvorsitzende der Stiftung Kunstmuseum Bern, Christoph Schäublin, an der Pressekonferenz in Berlin unumwunden zu. Zu gross scheint die Angst vor drohenden Prozesslawinen gewesen zu sein.

Pioniertat: Bern verspricht Dauerleihgaben

Erst die Verhandlungen und Zusicherungen seitens der deutschen Behörden dürften dazu geführt haben, dass es heute zur Vertragsunterzeichnung von Schäublin, der Kulturstaatsministerin Monika Grütters und dem Bayerischen Justiz-Staatsminister Winfried Bausback kam.

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Moralische und ethische Verpflichtungen standen bei der Übereinkunft – offensichtlich für alle Seiten – im Vordergrund.

Mit der Lösung der Dauerleihgaben im Falle «entarteter Kunst», setze das Kunstmuseum Bern sogar neue Massstäbe, betont die SRF-Kulturredaktorin Karin Salm: «Dass man hier sehr einfach und locker Hand bietet, ist eine unglaubliche Pioniertat des Kunstmuseums Bern.»

Internationale Richtlinien werden eingehalten

Die Washingtoner Erklärung

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Die «Washington Principles» gibt es seit 1998. Sie stehen für eine rechtlich nicht bindende Übereinkunft, NS-Raubkunst zu identifizieren, deren Vorkriegseigentümer oder Erben ausfindig zu machen und eine «gerechte und faire Lösung» zu finden.

Darüber hinaus wurde an der Pressekonferenz bekannt gegeben, dass man sich bezüglich der Rückgabe von Werken nicht auf Verjährung berufen werde. Dass das Kunstmuseum Bern das Erbe antritt, garantiert eine Einhaltung der Washingtoner Abkommen und die Einhaltung internationalen Rechts. Deshalb begrüsst auch der Bundesrat den Entscheid, wie er in einer Mitteilung schreibt.

Aber trotzdem könnte sich das Blatt im Falle Gurlitt nochmals wenden: Eine Cousine des Kunsthändlers zweifelt sein Testament an und beantragte beim zuständigen Amtsgericht in München einen Erbschein, wie das Gericht bestätigt hat. Juristen schätzen die Chancen der Erben vor Gericht aber als gering ein.

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