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Politisches Design Protest braucht kluge Kunst und keine flotten Sprüche

Das Londoner Design Museum zeigt politisches Grafikdesign der letzten zehn Jahre. Wichtig sind dabei nicht gutes Design oder flotte Sprüche, sondern intelligente Kommunikation.

Im Tiefgeschoss des Design Museum an der noblen Kensington High Street erklingen Sprechchöre, lautstark und vielsprachig; in einem Meer von Bannern, Postern und Spruchbändern ragen Barrikaden und Plakatwände auf; und auf Monitoren flimmern Bilder von Demonstrationen in aller Welt.

Im Arrangement der Requisiten folgt die Schau «Hope to Nope: Graphics and Politics 2008-2018» der Choreografie eines multimedialen Bühnenspektakels mit Publikumsbeteiligung. Besucher sollen sich fühlen wie auf einer Demo: engagiert und mitten im Getümmel.

Raum in einem Museum. An der Wand ein grosses Bild einer Menschenmenge, auf verschiedenen Bildschirmen sind Demonstrationen zu sehen. Ein einzelner Mann steht im Raum und schaut auf die Bildschirme.
Legende: Wer die Ausstellung im Design Museum besucht, soll sich fühlen, als sei er selbst an einer Demonstration. Design Museum/Benjamin Westoby

Grafikdesign hat Konjunktur

«Wir leben in turbulenten Zeiten» sagt Lucienne Roberts, Grafikdesignerin und Ko-Kuratorin der Ausstellung: «Einen Hauch von dieser Atmosphäre wollen wir hier vermitteln. Angesichts der gegenwärtigen Weltunordnung herrscht heute überall fast permanent Alarmstimmung. In solchen Phasen haben Protest und politische Grafik Hochkonjunktur.»

Zehn Jahre Grafikdesign in politischer Mission – von 2008, dem Jahr der internationalen Finanzkrise, bis heute: da sammelt sich viel an.

Audio
Walter Bohnacker über die Ausstellung in London
aus Kultur kompakt vom 05.04.2018. Bild: Design Museum/Benjamin Westoby
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 39 Sekunden.

Internationale Protestkultur

Rund 200 Exponate hat das Kuratorenteam ausgewählt: Insignien des Widerstands in Wort und Bild. In der Gesamtschau fügen sich die Belege zu einem schillernden Kaleidoskop der internationalen Protestkultur.

«Hope to Nope» lässt kaum ein Thema aus. Hier der «Arabische Frühling», daneben die Proteste gegen die Terroranschläge auf das Satiremagazin «Charlie Hebdo»; Gewalt gegen Frauen und – vor dem Hintergrund des Schulmassakers in Florida – der Protest gegen die US-Waffenlobby, der «Marsch für unsere Leben».

Von HOFFNUNG bis NEIN

Der Ausstellungstitel «Hope to Nope» ist die Kurzformel für die Fallhöhe zwischen Anfang und Ende der Ausstellung.

Die Schau beginnt mit dem bekannten Obama-Poster im Pop Art-Stil des US-Grafikers Shephard Fairey aus dem Jahr 2008. Über dem Wort HOPE in Grossbuchstaben am unteren Bildrand blickt der frisch gewählte Präsident hier optimistisch und erwartungsvoll in die Zukunft.

Bild von Barack Obama in Rot- und Blautönen. Darunter in Grossbuchstaben das Wort "HOPE".
Legende: Das Obama-Porträt von Streetart-Künstler Shepard Fairey wurde auch in der National Portrait Gallery gezeigt. Keystone/AP National Portrait Gallery/Smithsonian Institution Shepard Fairey

Im Kontrast hierzu steht die Arbeit des Grafikers Mike Mitchell. Er attackiert Obamas Nachfolger Trump, US-Präsident Nr. 45.

In einer Tablet-Animation lässt Mitchell die Ziffern 4 und 5 zu einem Hakenkreuz verschmelzen. Das Video-Piktogramm verbreitete der Künstler per Twitter – entsprechend gross war das Echo in den sozialen Netzwerken auf diese Magie der schwarzen Zahlen. Kunstvoller, kreativer und cleverer lässt sich schwer «Nein» sagen – oder eben «Nope».

Schlüsselwerkzeug Technologie

Plakate und Coverillustrationen, Masken und Symbolpuppen: sie gehören zum Standardinventar der Revolte, als solche haben sie auch noch längst nicht ausgedient.

Doch die Schau zeigt: die Grenzen zwischen politischem Protest, Propaganda und Kunst sind so fliessend wie die ihrer Produktion und medialen Vermittlung. Als Schlüsselwerkzeuge für den Designprozess eröffnen die modernen Technologien der Kreativität neue Entfaltungsmöglichkeiten und neue Plattformen für die Verbreitung von Inhalten und Botschaften.

Ausstellungshinweis

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Die Ausstellung Hope to Nope: Graphics and Politics 2008-2018 ist noch bis 12.8.2018 im Design Museum in London zu sehen.

Gutes Design ist gute Kommunikation

Ob gutes oder schlechtes Design: das sei nicht das Wesentliche, meint Kuratorin Lucienne Roberts: «Entscheidend ist wie intelligent und effektiv grafisches Design seine Adressaten anspricht, ob per Poster oder Smartphone.»

Menschen motivieren, überzeugen und einander näherbringen – darum gehe es, sagt Roberts: «Im Studio, auf der Strasse, in der Kunst und in der Politik. Nicht flotte Sprüche zählen, sondern offene, gute Kommunikation.»

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