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Literatur Amazon jagt die Verlage: Bis zum bitteren Ende?

Mit einer E-Book-Flatrate baut Amazon sein Monopol als Händler aus. Doch die Ambitionen des Giganten sind noch viel grösser: Autoren werden umworben, Verlage «gejagt». Bald könnte Amazon richtig grosse Beute machen und einen grossen US-amerikanischen Verlag übernehmen.

Aus dem Amazon-Labor in den USA kommen immer erstaunlichere explosive Mischungen. Die neueste Idee ist eine E-Book-Flatrate: Für 9,99 Dollar können amerikanische Kunden seit einigen Tagen aus einem Katalog von über 600‘000 Titeln auswählen. Für Vielleser mag das vordergründig nach einem wunderbaren Angebot klingen. Für den übrigen Buchhandel indes könnte es desaströs sein. Denn der Gang in die Buchhandlung wird so unwahrscheinlicher, E-Books profitieren, gedruckte Bücher geraten unweigerlich ins Hintertreffen.

Jagen wie die Geparden

Sein Verhältnis zu Buchverlagen hat Amazon-Chef Jeff Bezos einmal in markigen Worten beschrieben: «Wir werden die Verlage jagen, wie Geparden es mit Gazellen tun.» In seinen Bestrebungen den Buchmarkt radikal zu verändern, unternimmt Amazon immer neue Anläufe. Dabei scheint fast jedes Mittel recht. Längst schon setzt der Internetgigant seine marktbeherrschende Position dazu ein, in Verhandlungen mit Verlagen die Konditionen einseitig zu bestimmen. Wer sich widersetzt, wird abgestraft.

Vor Jahren traf es Diogenes, jetzt sind in Deutschland Verlage wie Ullstein, Piper oder Carlsen ins Visier geraten. In den USA zielt Amazon auf die Hachette Book Group, die zu den sogenannten Big Five gehört. Es geht einmal mehr darum, ein Exempel zu statuieren. Weil sich diese Verlage dem Konditionendiktat von Amazon nicht fügen wollen, werden ihre Bücher mit grosser Zeitverzögerung ausgeliefert. Das kommt einem Boykott gleich und trifft empfindlich. Dass Amazon sich zumindest vorübergehend auch selbst schadet, nimmt der Konzern dabei in Kauf. Er strebt nach höherem Profit und mehr Macht.

Die ideale Amazon-Welt

Im Weltbild von Jeff Bezos ist die gewachsene Buchkultur wenig wert, Verlage sind überflüssig. Aus seiner Sicht drängen sie sich nur zwischen den Autor und den Leser. Er würde sie am liebsten abschaffen. Seine Idealvorstellung: Auf der einen Seite die Kreativen, die schreiben, auf der anderen Seite die Käufer, die lesen. Dazwischen einzig Amazon. Längst versucht der Onlinehändler daher auch auf verlegerischem Feld voranzukommen.

Aber so richtig ist das bisher nicht gelungen. Es ist doch recht dürftig, was da überwiegend erscheint. Titel aus dem Self-Publishing-Bereich von Amazon werden folglich im übrigen Buchhandel kaum Ernst genommen. Und Schriftsteller sind bislang nicht reihenweise von renommierten Verlagen zu Amazon übergelaufen, obschon sie mit lukrativen Konditionen gelockt werden.

Der Traum vom Verlag

Gerade deshalb lässt jetzt das Gerücht aufhorchen, dass Amazon den amerikanischen Verlag Simon & Schuster kaufen will, der ebenfalls zu den Grossen in den USA gehört. Abwegig ist der Gedanke keineswegs. Bezos hat unlängst die «Washington Post» übernommen. Und dazu erklärt, es sei ein Experiment auf unbekanntem Terrain. Eine Übernahme von Simon & Schuster hätte ebenfalls Versuchscharakter. Doch sie würde Jeff Bezos seinem Ziel entscheidend näher bringen: Nicht allein der führende Händler zu sein, der seine Kunden exzellent bedient, sondern auch als Verleger zu reüssieren und immer mehr Autoren an sich zu binden.

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