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Literatur «Der Zauber der Casati» betört mit dem It-Girl schlechthin

Die italienische Exzentrikerin Luisa Casati war die meist porträtierte Frau ihrer Zeit. 100 Jahre vor Lady Gaga erschuf sie sich als lebendes Kunstwerk. Ihr Glanz strahlt noch heute, auch im Roman «Der Zauber der Casati» von Camille de Peretti.

Ihr Leben war aufregend. Verschwenderisch. Exaltiert. Luisa Casati (1881 bis 1957) ging mit einem Baby-Krokodil spazieren, legte sich eine Boa constrictor um den Hals und träufelte sich den Saft schwarzer Tollkirschen in die Augen, um die Pupillen zu weiten. Keine ihrer Zeit zog so viel Aufmerksamkeit auf sich wie Luisa Adele Rosa Maria, die am 23. Januar 1881 als jüngste Tochter eines steinreichen Textilunternehmers in Mailand zur Welt kam. Durch den frühen Tod ihrer Eltern erbte sie als junge Frau ein Vermögen, das sie kontinuierlich für ihre üppigen Gesellschaftspartys, Maskenbälle und Kostümfeste verprasste.

Die reiche Erbin taugt nicht zur Schlossherrin

Buch-Hinweis

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Camille de Peretti: «Der Zauber der Casati», Rowohlt, 2013.

Noch keine 20 Jahre alt, heiratete die reichste Erbin Italiens den Aristokraten Camillo Casati Stampa di Soncino, den «Marchese di Roma», mit dem sie eine Tochter hatte. Doch eine Frau, die von sich selber sagt «Ich will ein lebendes Kunststück sein», taugt nicht zur repräsentativen Schlossherrin. Die Casati angelte sich den umstrittenen Mussolini-Mentor Gabriele d’Annunzio, mit dem sie jahrelang eine heisse Affäre lebte. Sie gehörte fortan zum harten Kern der europäischen High Society.

Schulden in Millionenhöhe

Luisa Casati war zu ihrer Zeit eine der meist porträtierten Frauen Europas. Unter anderen stand sie dem Fotografen und Künstler Man Ray Modell. Ihre schwarz umrandeten Augen, ihre Vorliebe für bizarre Kostüme und ihren skandalösen Lebensstil bewunderten starke Frauenpersönlichkeiten wie Colette oder Coco Chanell. Und noch heute ist die Marchesa Casati eine unerschöpfliche Inspirationsquelle für Modeschöpfer wie Karl Lagerfeld, Tom Ford oder Alexander McQueen.

Audio
Aufstieg und Fall der Luisa Casati
04:18 min
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 18 Sekunden.

Doch der Höhenflug der Casati nahm 1930 ein Ende. Sie hatte Schulden in Millionenhöhe und floh nach London. Dort lebte sie, unterstützt von Freunden, in ärmlichsten Verhältnissen. Des Nachts durchstöberte sie die Abfalleimer. Eine Ikone tief gefallen. Mit diesem düsteren und tragischen Bild beginnt der Roman «Der Zauber der Casati» von Camille de Peretti.

Möchtegern-Muse trifft Mode-Ikone

Die Autorin

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Legende: Francesca Mantovani

Camille de Peretti (*1980), zweifache Mutter, studierte Ökonomie, arbeitete als Finanzberaterin in Amerika und als Fernsehköchin in Japan. In ihrem Début «Thornythorinx» thematisierte sie ihre Magersucht und landete einen Bestseller.

Camille de Peretti, die französische Autorin mit Jahrgang 1980, also 100 Jahre jünger als ihr Vorbild, ist selber ein verrücktes Huhn mit beeindruckender Biographie. Ihr erster Roman über ihre Magersucht avancierte gleich zum Bestseller und de Peretti zum beliebten Gast in französischen Fernseh-Talkshows.

In ihrem neuen Roman «Der Zauber der Casati» stellt sie das Leben einer Möchtegern-Muse unserer Zeit der grossen Ikone Luisa Casati gegenüber. Die Ich-Erzählerin im Roman träumt sich in den Rang einer Casati während sie einem schmierigen Regisseur in New York City Model steht. Weit entfernt von der Strahlkraft einer Casati.

Am reizvollsten, wenn sich alles um Casati dreht

Das Hin und Her zwischen Wunschtraum und wahrer Grösse ist zu Beginn der Lektüre höchst erfrischend. Im Laufe des Buches verkommt dieses Spiel aber zunehmend zum gequälten Anspruch der Autorin, ein Buch mit philosophischer Tiefe zu verfassen. Denn wirklich reizvoll sind ausschliesslich die Passagen über Luisa Casati. Ihre Geschichte ist literarisch genug. Und als hätte die Autorin Camille de Peretti dies selbst erkannt, widmet sie sich ab der zweiten Hälfte des Buches eigentlich nur noch der schillernden Mode-Ikone des letzten Jahrhunderts. Das ist gut so. Denn eine Marchesa Casati hat jedes Denkmal verdient, das man für sie errichtet.

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