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Literatur Dieter Bachmanns wucherndes Dickicht der Kulturgeschichte

Reminiszenzen, Episoden und Geschichten ranken sich in die «Gärten der Medusa» wie Pflanzen in einem wuchernden Garten: Der Schweizer Schriftsteller und Journalist Dieter Bachmann errichtet in seinen neuen Roman ein üppig bestücktes Panorama aus der Kulturgeschichte der Neuzeit.

Die schlangenhäuptige Medusa ist eine der Schreckgestalten der griechischen Mythologie. Wer Medusa anblickt, erstarrt zu Stein. Bachmann spielt im Titel auf diese Figur an. Man fragt sich aber, was denn der Bezug zur Sage sein soll.

Arche Noah der Botanik

Buchhinweis

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Dieter Bachmann: «Die Gärten der Medusa», Limmat Verlag, 2015.

Bachmanns Riesenozeandampfer spielt auch nicht auf das prekäre «Floss der Medusa» mit Schiffbrüchigen an – wie es der Maler Théodore Géricault 1819 verewigt hat. Bachmanns Gefährt dient nicht der Seerettung, vielmehr ist es eine botanische Arche Noah. Es trägt die «Gärten». Die Kardinalmetapher des Schiffs ist ein Lebens- und kein Todesbild. So wie es eingangs vollbepackt mit aufgetürmten Schichten von Gärten und reichlich Personal aus der Kulturgeschichte in See sticht:

«Die Decks: sind Gärten, Parks, dichte Alleen mit Platanenlaub, grün das ganze Schiff, alle Arten von Grün, und Laub aller Grössen, und Blumen. Es gibt lichte Wälder da, und Savannen, Flussläufe … die zum Licht gewendeten Aussenkabinen sind Gewächshäuser.»

Das Schiffsmotiv ist nur das Aggregat dieses Buchs, wie Filmstills von Federico Fellini, also Illustrationen, eingefügt zwischen einzelne Kulturessays.

Video
Über den ersten und letzten Satz der «Gärten der Medusa»
Aus Kultur Extras vom 17.05.2015.
abspielen. Laufzeit 1 Minute.

Literarischer Grossessay

«Die Gärten der Medusa» ist ein Kaleidoskop von meist in sich abgeschlossenen Texten über Kunst, Literatur, Anthropologie, Philosophie Geschichte – und notabene die Gartenbaukunst. Dichter, Musiker, Maler und Sänger passieren in diesem mäandernden Panoptikum des 19. und 20. Jahrhunderts Revue.

Bachmann erweist die Reverenz, was Rang und Namen hatte. Darunter z.B. dem Naturlyriker Rainer Brambach in Basel. Er war Gärtner und Poet in Personalunion. Ein Dichter, der das Werden und die Vergänglichkeit exemplarisch miteinander verschmolzen hat.

Werden und vergehen

Drehpunkt der Geschichte ist der 75 jährige Wild, ein Anthropologe, der diese Retrospektive fokussiert. Er artikuliert sich mehr als Reporter, denn als Wissenschaftler. Im Grunde ist alles in Moll gesetzt. Wilds Notate sind ein einziges Memento Mori.

Wild betrachtet die Natur mit Maleraugen. Sei es für die Beschreibung einer Kirschblüte oder eine komplexe Gemäldeanalyse. Dem Wesen des Gartens folgend im Zyklus von wachsen, blühen und vergehen. Natur total wird, auf diesem Schiff aus Wörtern vermessen. Und es ist immer buchstäblich ins Kraut schiessend.

Sendung: Kultur kompakt, 13.08.2015, 17:45 Uhr.

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