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Schweizer Krimi Düster und komisch: Lewinskys Politsatire über die Schweiz

Charles Lewinsky legt seinen ersten Krimi vor: «Der Wille des Volkes». Darin zeigt er uns eine Schweiz in naher Zukunft, die völlig nach rechts gerutscht ist. Parteifunktionäre gehen über Leichen, um ihre Macht zu sichern. Eine witzige Politsatire, bei der sich reale Vergleiche aufdrängen.

Felix Därendinger, pensionierter Journalist, stöbert in einem alten Kriminalfall und macht eine brisante Entdeckung, die das Land erschüttern würde. Nur kommt er nicht mehr rechtzeitig dazu, die Bombe platzen zu lassen: Er stirbt überraschend. Offiziell an den Folgen eines Unfalls. Aber für seinen einstigen Berufskollegen Kurt Weilemann ist klar: Därendinger wurde umgebracht.

Ein Mord bringt Stimmen

Nun ist es an Weilemann, die Recherchen fortzusetzen. Der Schlüssel liegt beim ehemaligen Parteipräsidenten der «Eidgenössischen Demokraten», Werner Morosani, der vor mehr als 30 Jahren auf dem Heimweg ermordet worden war.

Man schob die Schuld einem schwarzen Asylbewerber in die Schuhe und schloss die Akte. Der tragische Todesfall brachte den «Eidgenössischen Demokraten» viele Sympathiestimmen. Die Partei legte kräftig zu bei darauffolgenden Wahlen. Für den politischen Ziehsohn von Morosani, Stefan Wille, wurde die Bahn frei für eine beispiellose Politkarriere.

Buchhinweis

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Charles Lewinsky: «Der Wille des Volkes». Nagel & Kimche, 2017.

Der Parteichef als Gott

Noch heute ist Stefan Wille der wichtigste Mann bei den «Eidgenössischen Demokraten». Mittlerweile alt, krank und gebrechlich, zieht er immer noch die Fäden im Hintergrund und wird von seinen Parteigenossen verehrt wie ein Gott. Denn er ist «der Wille des Volkes».

Kein Wunder muss um jeden Preis verhindert werden, dass dieses Heiligenbild durch alte Geschichten beschmutzt wird. Also werden alle Register gezogen, um Weilemann das Handwerk zu legen.

Politsumpf am rechten Flügel

Mit viel Witz und Humor treibt Charles Lewinsky seinen Plot vorwärts, verzichtet auf billige Pointen und schafft es, seinen Spass am Stoff auch auf die Leserinnen und Leser zu übertragen. Geschickt jongliert er mit verschiedenen Motiven, baut überraschende Indizien ein und lässt seinen Ermittler Weilemann die ungewöhnlichsten Fährten aufnehmen. Die Spuren führen tief in den Schweizer Politsumpf am rechten Flügel.

Auf die Frage, ob er absichtlich provoziere, um das Buch ins Gespräch zu bringen, winkt Charles ab. Nein, die Geschichte habe diese Zuspitzung gebraucht. Wer sich darin gespiegelt sehe, sei selber schuld. Trotzdem: Die Vergleiche mit der realen Schweizer Politlandschaft drängen sich auf. Unschwer glaubt man die SVP wieder zu erkennen mit ihrem Übervater Christoph Blocher.

Keine realen Vorbilder

Natürlich verneint Charles Lewinsky, er habe sich von diesen Vorbildern inspirieren lassen. Er verhehlt aber nicht, dass er alles andere als ein rechtskonservativer Wähler sei. Politik hält er für «ein schmutziges Geschäft», bei dem schon mancher den redlichen Weg verlassen musste, um an die Macht zu kommen. Da sei die Schweiz nicht besser als «irgendeine Bananenrepublik».

Mit «Der Wille des Volkes» hat Charles Lewinsky auf spielerische Weise dem populistischen Zeitgeist auf den Puls gefühlt. Indem er die Geschichte bewusst in die Zukunft ansiedelte, schaffte er seiner Fantasie den nötigen Freiraum.

Zum Beispiel, dass die Parteiversammlungen der «ED» im Hallenstadion live vom Fernsehen übertragen werden. Dort verkünden die «Eidgenössischen Demokraten», dass sie die Todesstrafe einführen wollen. Sie haben auch den süffigen Slogan parat: «Kurz und schmerzlos ist nicht herzlos».

Die Lust am Fabulieren

Wohltuend verzichtet Charles Lewinsky auf eine klassische Schwarz-Weiss-Malerei: Bei aller Überzeichnung bekommen doch alle ihr Fett ab.

Mit Kurt Weilemann ist ihm das Porträt eines mürrischen, frustrierten Pensionärs gelungen, der durch die Jagd nach den wahren Tätern endlich wieder Adrenalin in seinen Adern spürt. Denn der Alltag auf dem Abstellgleis des Ruhestandes setzt ihm arg zu, und er lässt keinen Zweifel offen: Altern ist demütigend.

ansichten.ch

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Charles Lewinsky auf der Schweizer Literaturplattform «Ansichten».

Dieses Problem kenne er zum Glück nicht, lacht Charles Lewinsky. Als Schriftsteller könne er solange weiterschreiben wie es ihm passt. Jede Arbeit an einem neuen Buch sei auch für ihn selber mit vielen Überraschungen verbunden.

Seine Lust am Fabulieren ist beim Lesen spürbar und trägt viel zum Unterhaltungswert dieses Kriminalromans bei. Zurück bleibt trotzdem auch ein mulmiges Gefühl: Was wäre, wenn Lewinskys Szenario tatsächlich eines Tages Wirklichkeit werden würde?

Sendung: Radio SRF 1, Buchzeichen, 20.08.17, 14.06 Uhr

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