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Literatur Elke Heidenreich: «Katherine Mansfields Ton passt zu mir»

Elke Heidenreich bewertet Literatur und ist selber Schriftstellerin. Daneben liest sie auch Texte für Hörbücher, zum Beispiel die Erzählungen von Katherine Mansfield. Im Interview erklärt sie, was ein Text haben muss, damit sie ihn einliest, und warum sie das als «Mission» ansieht.

Frau Heidenreich, zu Katherine Mansfield sollen Sie gesagt haben: «Das passt zu mir, ich liebe ihre Erzählungen und ihren Ton.» Was genau ist es, was Sie an Mansfields Ton lieben? Wieso passen diese Erzählungen zu Ihnen?

Mansfield hat einen scharfen, unbestechlichen und dennoch nicht bösartigen Blick auf Menschen und Situationen. Ich denke, das ist bei mir – ohne ihr grandioses Erzähltalent zu haben – nicht unähnlich.

Nennen Sie uns Ihren Lieblingstext von Mansfield?

Elke Heidenreich

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Die Schriftstellerin und Literaturkritikerin wurde populär mit ihren Radiosendungen, ihren Buchveröffentlichungen und der Sendung «Lesen!», die sie von 2003 bis 2008 im ZDF moderierte. Ab 2008 gab sie in einer eigenen Edition Musikbücher heraus und seit 2012 ist sie im Kritikerteam des Literaturclub.

Unbedingt die Tagebücher, die sie von ihrem 16. Lebensjahr bis zu ihrem frühen Tod mit 34 geschrieben hat. Sie sind erschütternd innig, und von da lässt sich soviel ableiten zu ihrem Werk. «Alles im Leben, was wir wirklich annehmen, verwandelt sich. So muss Leiden zu Liebe werden. Das ist das Geheimnis.» Das schreibt sie 1920, mit 32 Jahren.

Die Texte von Katherine Mansfield sind um die 100 Jahre alt. Was sagen Ihnen Mansfields Texte über Ihr eigenes Leben hier und jetzt?

Gute Literatur hat immer etwas mit dem Leben zu tun, raum- und zeitübergreifend. Weil die Dinge, die den Menschen ausmachen, immer dieselben sind, egal wann und wo: Geboren werden, sterben, dazwischen Liebe, Leid, Glück, Angst, Kummer – die ganze Palette. Das ändert sich ja nie. Nur die Lebensumstände sind unterschiedlich.

Sie haben die unterschiedlichsten Textarten und Autoren eingelesen, von Geschichten und Gedichten für Kinder über gesammelte Volksreime bis zu Dorothy Parker, Else Lasker-Schüler und Mascha Kaléko. Was muss ein Text haben, dass Sie ihn einlesen wollen?

Er muss meinen Kopf und mein Herz gleichermassen erreichen. Ich habe auch so ausgefallene Sachen wie die Gedichte von Christine Lavant und Wiszlawa Szymborska gelesen, aus genau diesem Grund. Ich möchte, dass man solche Texte kennt, und durch mich als sogenannte «Prominente» habe ich da vielleicht ein paar Chancen für diese Mission!

Was nicht dabei ist im Sortiment Ihrer Hörbücher, wenn ich es recht überblicke, sind grössere Romane fremder Autoren – wieso?

HörPunkt

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«Katherine Mansfield – gehobene Damen, traurige Barone».

Der Vorlesetag auf Radio SRF2 Kultur am 2. Januar 2014, 9-15 Uhr (Wiederholung: 17-23 Uhr).

Doch, ich hab Carson McCullers «Das Herz ist ein einsamer Jäger» fürs Hörbuch gelesen, ein sehr dickes Buch, das mir auch sehr am Herzen liegt. Ansonsten habe ich zum Einlesen so langer Texte im Studio weder Zeit noch Lust.

Vielen der Texte, die Sie eingelesen haben, wohnt ein komisches oder ironisches Moment inne. Wir wissen alle, dass Humor gut rüberzubringen keine einfache Sache ist, umso mehr, je subtiler er ist. Sie werden gelobt, dass sie genau die richtige Dosis träfen. Fällt es Ihnen leicht oder ist es harte Arbeit?

Ist keine Arbeit. Ich bin ja auch so. Der Humor ist das Geländer, das mich über den Abgründen der ganzen Traurigkeit hält.

Wessen Texte haben Sie am liebsten gelesen? Ihre eigenen?

Ja, wirklich: meine eigenen, in denen bin ich doch letztlich am meisten zuhause.

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