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Von der Ukraine bis New Mexico: Neue Bücher von Wolf Haas, Sofi Oksanen, Percival Everett und Georgi Gospodinov
Aus Literaturclub vom 19.04.2022.
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Hanspeter Müller-Drossaart «Wer will schon schlafen, wenn es so wunderbare Bücher gibt?»

Hanspeter Müller-Drossaart

Hanspeter Müller-Drossaart

Schauspieler und Sprecher

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Hanspeter Müller-Drossaart (1955) war als Schauspieler an vielen wichtigen Schweizer Film- und Fernsehproduktionen der letzten Jahre beteiligt («Grounding - Die letzten Tage der Swissair», «Sennentuntschi», «Gotthard», Wilder»). Er steht regelmässig auf Theater- und Musicalbühnen. Seine besondere Liebe gilt der Literatur. Als regelmässiger Vorleser tritt er im SRF-Literaturclub auf. Auch in SRF-Hörspielen ist er zu erleben, aktuell etwa als Rabbi Klein in den Krimis von Alfred Bodenheimer.

Gibt es so etwas wie ein liebstes Buch?

Ja, gibt es: «Murmeljagd» von Ulrich Becher und «Das Schöne, Schäbige, Schwankende» von Brigitte Kronauer.

Ihr bevorzugter Leseort?

Der Lesesessel, der Gartenstuhl, die ÖV-Sitzbank, die Aussichtsbank am See – immer da, wohin das aktuelle aufwühlende oder geschwätzige Buch mich gerade hingetrieben hat.

Mehrere Bücher gleichzeitig? Oder immer eins nach dem anderen?

Unbedingt gleichzeitig! Als Endlichkeits-Ängstling möchte ich das unerschöpfliche Literaturreich erwandern, solange Geist und Auge dies ermöglichen. Da mischen sich auf dem Nachttisch Franz Schuhs «Krückenkaktus», Joshua Cohens «Witz» und Christian Schmidts Mundart-Analysen mit Wislawa Szymborskas Gedichten. Nicht zum Einschlafen! Aber wer will schon schlafen, wenn es so wunderbare Bücher gibt?

Ein Buch, das Ihnen die Liebe zum Leben eröffnet hat?

«Der Geissbub vom Etzlital» von Josef Konrad Scheuber. Das Buch erzählt in berührendem Ton die traurige Geschichte des realen Ziegenhirten Seppli Jauch, der im Etzlital, einem Seitental des Urner Maderanertals, mit seiner Familie eine Existenz in Not und voller Schicksalsschläge erlebte und früh verstarb.

Das Buch hat mich als kaum des Lesens fähiger Schüler umgehauen. Endlich konnte ich die strenge Welt meiner bäuerlichen Schulkameraden besser verstehen, und das geschriebene Wort verschaffte mir Zugang zur kargen Zurückhaltung der Bergler. Seitdem faszinieren mich die «Hinterwelten» der literarischen Figuren und ich suche ihre Nähe, wo ich kann.

Welches Buch muss man auf Schweizerdeutsch gelesen haben?

Man muss nicht, aber bereichernd ist es in jedem Fall, über das eigene, dörfliche Idiom hinaus seine «Gwundernasen» auszustrecken, um Sprachklänge zu hören, die verwandt klingen und dennoch eigenständige Melodien sind. Ich empfehle Anna Maria Bachers Lyrik im «Pomattertytsch», eine verschwindende Variante der Walserkultur aus dem Pomatt, einem Tal hinter Domodossola. Zum Beispiel ihren Band «Öigublêck».

Gibt es ein Leseleiche – ein Buch, das Sie niemals zu Ende lesen?

«Spiegel und Licht» von Hilary Mantel. Ich würde dieses Buch nie dem Verwesen zuordnen wollen, gerade weil ich die ersten beiden Bücher dieser grossartigen Tudor-Trilogie über Thomas Cromwell sehr geschätzt habe. Was für ein plastischer Reichtum an abgründiger Menschlichkeit! Zu Ende lesen werde ich den dritten Band aber mit allergrösster Wahrscheinlichkeit nicht.

Ein Buch, das Sie immer wieder zur Hand nehmen?

Die Erzählungen von Peter Stamm.

Ein Buch, das Sie gerne verschenken?

«Die Pfaueninsel» von Thomas Hettche.

Ein Buch, bei dem Sie laut lachen mussten?

«Keiths Probleme im Jenseits» von Linus Reichlin.

Ein Buch, das Sie gerne Kindern vorlesen?

«Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer» von Michael Ende.

Ein Buch, dem Sie mehr Leser wünschen?

«Hungertuch» von Martin Stadler, ein reichhaltiges, barockes Sprachwerk des Urner Schriftstellers. Dabei handelt es sich um einen vielschichtigen Kompendiums-Roman mit Liebesgeschichten und Abergläubigkeiten, Kriminal-Historien und Irrenhäuslichkeiten.

Literaturclub, SRF 1, 19.4.2022, 22:25 Uhr;

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