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Märchenhaft Darum braucht Hans im Glück kein Geld, um glücklich zu sein

Wachstum sei die Maxime des Wirtschaftens, heisst es. Nicht unbedingt, sagt das Märchen von Hans im Glück. Nicht unbedingt, sagt auch der Ökonom Mathias Binswanger, Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz.

«Hans im Glück»

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Im Märchen «Hans im Glück» tauscht Hans einen grossen Klumpen Gold gegen ein Pferd, das Pferd gegen eine Kuh, die Kuh gegen ein Schwein, das Schwein gegen eine Gans. Die Gans gibt er für einen Schleifestein mitsamt einem einfachen Feldstein her. Diese fallen ihm dann, als er trinken will, in einen Brunnen. Ohne Besitz ist er nun endlich glücklich.

Die Märchengestalt Hans im Glück tauscht seinen Besitz kontinuierlich ein, bis sie nichts mehr hat. Da endlich ist Hans glücklich, frei von allem Besitz. Was sagt dieses Märchen aus?

Mathias Binswanger: Dieses Märchen zeigt auf, dass materieller Wohlstand und Besitz ambivalent sind. In diesem Märchen werden jetzt für einmal die negativen Seiten des Besitzes aufgezeigt. Alle die verschiedenen Gegenstände und Tiere, die Hans im Glück hat, sind auch mit bestimmten Belastungen verbunden. Er ist jeweils froh, dass er das wieder los ist. Er handelt sich dann wieder eine andere Belastung ein. Das ist eben auch ein Teil des Reichtums, dass man damit Belastungen hat und nicht nur die schönen Seiten.

«Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebens Ende», so enden viele Märchen. Welche Rolle spielt das Glück in der Ökonomie?

Glück spielt eigentlich eine zentrale Rolle in der Ökonomie, weil es ja um die Frage geht, was das Ziel der ganzen wirtschaftlichen Tätigkeit ist. Wofür strengen wir uns Tag für Tag an? Wofür arbeiten wir denn? Viele Menschen haben das Gefühl, in der Ökonomie geht es nur um die Frage, wie man möglichst viel Geld verdient.

Mathias Binswanger

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Legende: Mathias Binswanger/Wikimedia

Mathias Binswanger ist Publizist und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten.

Aber das Geldverdienen ist ja nur die erste Stufe zum Glück. In einer zweiten Stufe muss man dieses Geld ja auch umsetzen in Dinge, die tatsächlich glücklich und zufrieden machen. Aus diesem Grund kann ein maximales Einkommen nicht das letzte Ziel der ökonomischen Tätigkeit sein.

Beispielsweise erfordert ein Umsetzen von Einkommen in Dinge, die glücklich machen, auch Zeit. So gibt es Menschen, die unglücklich sind, weil sie viel Zeit, aber kein Geld haben. Andere sind unglücklich, weil sie viel Geld, aber keine Zeit haben. Beides ist kein ökonomisch optimaler Zustand.

Das heisst?

Das heisst, dass aus dieser Perspektive ganz andere Dinge ökonomisch effizient sein können, als wir uns normalerweise vorstellen. So hat man zum Beispiel die Amish People in den USA erforscht. Die leben noch so wie im 17. Jahrhundert und lehnen den ganzen technologischen Fortschritt und den Wohlstand ab. Weil sie so speziell leben, hat man auch versucht zu erforschen, wie glücklich oder unglücklich die sind. Man hat gesehen: Die sind so glücklich wie die reichsten Amerikaner, also die 10 Prozent der Amerikaner mit dem höchsten Einkommen.

Wie kann man das jetzt interpretieren?

Indem man sagt, dass die Amish People eine ökonomisch hoch effiziente Gesellschaft sind: Sie schaffen es, aus einem Dollar Einkommen wesentlich mehr Glück oder Zufriedenheit herauszuholen als die reichsten Amerikaner. Oder umgekehrt gesagt – die reichsten Amerikaner brauchen ein sehr viel höheres Einkommen, um auf das selbe Zufriedenheitsniveau zu kommen, wie diese Amish.

Die Sicht ändert also, wenn wir das Glück ins Zentrum stellen?

Ja, wenn wir Glück als das letzte Ziel der Ökonomie betrachten, dann können wir eine ganze Menge hinterfragen. Unter anderem auch, ob unsere wachstumsgetriebene Wirtschaft tatsächlich noch etwas dazu beiträgt, dass wir in einem Land wie der Schweiz glücklicher oder zufriedener werden.

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