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Die Eröffnung der Bayreuther Festspiele
Aus Kultur-Aktualität vom 26.07.2021. Bild: Keystone / AP dapd / ECKEHARD SCHULZ
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Bayreuther Festspiele Der Hype ist da, der Rausch bleibt aus

Die Bayreuther Festspiele gelten bei Musikliebhaberinnen und Musikliebhabern als Highlight. Unsere Musikredaktorin jedoch fand bei der gestrigen Premiere wenig vom vielbeschworenen Bayreuth-Zauber. Ein Kommentar.

Ja, das Festspielhaus ist beeindruckend. Und die musikhistorische Bedeutung Wagners ist mir so bewusst, wie die erfreuliche Leistung der Musikerinnen und Musiker an diesem Abend. Das Befremden kam aber auch gewissermassen auf Bestellung – vor allem durch die pseudoreligiöse Überhöhung von Wagner und seiner Festspiele.

Theresa Beyer

Theresa Beyer

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Theresa Beyer ist Musikredaktorin bei Radio SRF 2 Kultur. Für Formate wie «Musik unserer Zeit» oder «Kontext» berichtet sie über Neue Musik und Popkultur. Seit ihrem Musikwissenschaftsstudium ringt sie um eine Haltung zur problematischen Figur Richard Wagner – ein Besuch bei den Bayreuther Festspielen konnte an diesem Hadern nicht viel ändern.

Wir Medien hatten immer schon unseren Anteil daran, diese Spielstätte zur Pilger- und Weihestätte zu stilisieren. Auch dieses Jahr, wo die Festspiele nach Corona-Pause unter strengen Hygienevorschriften wieder stattfinden, haben wir den Mythos aufgeladen:Mit Superlativen in den Vorberichten und wiederholtem Fokus auf den prominenten Besuch, als sei er der Beweis für die Relevanz der Festspiele.

Herrschaftliches Backstein-Haus mit Garten und farbigen Blumen im Vordergrund
Legende: Die Bayreuther Festspiele finden seit 1876 mit Unterbrechungen, seit 1951 alljährlich im eigens dafür geschaffenen Festspielhaus auf dem Grünen Hügel in Bayreuth statt. Keystone / DPA / DANIEL VOGL

Der nüchterne Blick auf die Festspiele

Sind die Werte, die Wagners Musik enthält, wirklich so universell und zeitlos wie das zur Festspielzeit Common Sense zu sein scheint? Wie wäre es, generell etwas nüchterner auf ihn zu blicken? Sicher nicht leicht – denn Nüchternheit und Wagner sind wie Feuer und Wasser. Und Geniekult macht schliesslich auch Spass.

Dennoch lohnt sich eine Relativierungsübung, die der Komponist und Autor Sandeep Bhagwati die «Provinzialisierung der Musik» nennt: er empfiehlt, dass wir die Liebe zu unserer kulturellen Heimat nie für mehr als eine provinzielle Regung halten sollten und die westliche klassische Musik als eine Musiktradition von vielen erachten sollten.

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Das erste Mal leitet eine Frau das Orchester in Bayreuth
aus Kultur kompakt vom 26.07.2021. Bild: SRF / Sebastien Thibault
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Überlegenheitsgefühle abwerfen – das inspiriert mich: Wie wäre es, eine Wagneroper nur als eine Oper von vielen zu sehen? Und die Bayreuther Festspiele nicht als die Crème de la Crème der Hochkultur, sondern als eine Subkultur von vielen, als schlichtweg beliebte Marke mit einer hochexklusiven Community?

Wenig szenischer Drive

Bei der gestrigen Premiere von «Der fliegende Holländer» bahnte sich die Musik in ihrer Grossartigkeit durchaus ihren Weg zu mir, in Form von Ohrwürmern segeln die Seemänner noch immer durch meinen Kopf. Dass Wagners Werk grösser ist als sein bisweilen kleinherziger antisemitischer Geist, kann ich als Vorteil für den oder die, die seine Musik lieben, durchaus akzeptieren.

«Der fliegende Holländer» im Radio

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Radio SRF 2 Kultur sendet am 8. August um 20:00 Uhr eine Aufzeichnung von «Der fliegende Holländer» an den Bayreuther Festspielen. Die Sendung ist nach der Ausstrahlung 30 Tage lang online verfügbar.

Regisseur Dmitri Tcherniakov hat Wagners «Fliegenden Holländer» als Psychodrama angelegt. Der Protagonist bekam ein Kindheitstrauma hinzugedichtet, und anders als im Original überlebt Senta, die als rebellische Figur im Zentrum des Abends steht.

Die Umsetzung dieser interessanten Neudeutung konnte aber szenisch keinen Drive entfalten. Lag es also an der Inszenierung, dass bei mir der vielbeschworene Rausch ausblieb? Oder fehlen mir einfach die Wagner-Antennen?

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Aus dem Archiv: Faszination Richard Wagner
Aus Kulturplatz vom 22.05.2013.
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Viel Polizei und Corona-Schatten

Mir ist noch kein Opernpublikum begegnet, das am Ende der Vorstellung derart leidenschaftlich applaudiert, jubelt, aufsteht, mit den Füssen auf dem Holzboden trampelt und „Buh“ bzw. „Bravo“ ruft. Vor dem Festspielhaus allerdings lag wenig feierliche Stimmung in der Luft: viel Polizei, eine gewisse Ruppigkeit im Umgang miteinander, und eine in sich gekehrte Ernsthaftigkeit des Publikums.

Irgendwie hoffe ich, dass diese Stimmung dem langen Schatten von Corona Tribut zollt, der in diesem Jahr über den Festspielen liegt und das dies nicht der generelle Geist ist, der hier herrscht. Denn dann fiele es mir wirklich schwer, die Überhöhung nachzuvollziehen.

Die Bayreuther Festspiele

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Die Bayreuther Festspiele werden bereits seit dem Jahr 1876 jährlich durchgeführt und gelten als Perle der musikalischen Hochkultur.

Nachdem das Festival letzten Sommer wegen Corona abgesagt werden musste, feierte es gestern Sonntag mit der Aufführung von «Der fliegende Holländer» Premiere. Bis zum 25. August werden verschiedene Opern von Richard Wagner im Festspielhaus auf dem Grünen Hügel in Bayreuth aufgeführt.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 26.7.2021, 8:06 Uhr

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