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Bewegungslehre für Musiker Ade Schmerz, Krampf und Lampenfieber: Feldenkrais für Musiker

Moshé Feldenkrais hat vor 70 Jahren seine Bewegungslehre begründet: Bewusstheit durch Bewegung. Warum profitieren Musiker besonders davon?

85 Prozent der Orchestermusiker leiden unter körperlichen Beschwerden. Das belegen medizinische Studien. Grund ist die oft einseitige Belastung bestimmter Körperteile – und das über viele Stunden täglich.

Eine Möglichkeit, schmerzenden Schultern und verkrampften Fingern zu begegnen, ist die Feldenkrais-Methode. Mitte des letzten Jahrhunderts hat sie der Israeli Moshé Feldenkrais begründet.

Lampenfieber senken

Seine Methode will das Bewusstsein für die eigenen Bewegungen schärfen – und so den Patienten eine neue, beschwerdefreie Art der Bewegung lehren.

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Therapieform oder Lebenshaltung? Bewegungslehre nach Feldenkrais
aus Kontext vom 02.05.2018. Bild: imago / ZUMA Press
abspielen. Laufzeit 14 Minuten 15 Sekunden.

Doch die Methode kann noch mehr: Sie kann den Klang, den ein Musiker mit seinem Instrument erzeugt, verbessern und Lampenfieber senken. Wie ist das möglich?

«Hinter jedem Instrument steht ein Mensch in Bewegung», sagt Feldenkrais-Pädagogin Barbara Füzesi. «Wenn sich dieser Mensch frei und gelöst bewegen kann, klingt auch sein Instrument besser.»

Achtsamkeit schulen

Davon sind die Leute, die in die Basler Praxis von Barbara Füzesi kommen, am Anfang meist weit entfernt. Ihr Klientenkreis reicht vom Baby bis zu Menschen im hohen Alter mit starken Einschränkungen, etwa durch Multiple Sklerose oder Parkinson.

Barbara Füzesi

Barbara Füzesi

Feldenkrais Pädagogin

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Barbara Füzesi ist 1963 geboren. Sie hat Biologie studiert und ist gelernte Lehrerin und Feldenkrais Pädagogin (SFV) in Basel. Füzesi ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Website von Barbara Füzesi

Aber auch gesunde Menschen besuchen ihre Praxis. Etwa ein Tänzer, der seine Pirouette verbessern will; oder einfach Leute, die ihre Achtsamkeit oder ihre Beweglichkeit schulen möchten – körperlich wie geistig.

«Musiker kommen oft erst, wenn sie Schmerzen haben», sagt Füzesi. Fokale Dystonie etwa – auch Musikerkrampf genannt – ist unter Orchestermusikerinnen und -musikern eine häufig anzutreffende Beschwerde. Dabei spannen sich Muskeln an, die sich gar nicht anspannen sollen – etwa der ganze Unterarm eines Geigers.

Bewegungsmuster verändern

Der Versuch, mit weniger Kraft zu spielen oder sich zu entspannen, hilft dabei oft nicht weiter. «Wir haben alle unsere Bewegungsmuster», sagt Barbara Füzesi. «Und wir können nicht ständig darüber nachdenken, wie wir uns bewegen.»

Deshalb wird in der Feldenkrais-Arbeit der Körper angeregt, alternative Bewegungen auszuprobieren und sie in sein Bewegungsrepertoire aufzunehmen.

In Einzelstunden regt Barbara Füzesi bei den Klienten erst einmal einen inneren Dialog an. Mit ihren Händen leitet sie deren Körper zu minimalen Bewegungen an. Schon kleinstes Heben etwa einer Schulter kann Blockaden in der Brustmuskulatur aufzeigen und lösen. Kleine Bewegungen in den Füssen können die Verbindung zur Hüfte aktivieren.

Dem Körper Fragen stellen

«In meiner Arbeit stelle ich dem Körper des Klienten Fragen», sagt Barbara Füzesi. «Die Antworten muss sich der Klient selbst geben.» Denn im Grundansatz ist die Feldenkrais-Methode ein Weg zur Selbsthilfe – keine von aussen verordnete Therapie.

«Es geht in diesen Bewegungen, die wir anleiten, nicht darum, Muskulatur zu trainieren», erklärt Füzesi. «Sondern darum, dass die Bewegung das Mittel ist, die Wahrnehmung von uns zu schulen.»

Ein Mann sitzt auf dem Boden und hält ein Skelett-Modell im Arm. Er zeigt in den Brustkorb des Skeletts.
Legende: «Mehr Qualität in der Bewegung ist mehr Qualität im Leben», sagt der Begründer Moshé Feldenkrais. imago / zuma press

In der Feldenkrais-Arbeit werden bewusst verschiedene Muskeln angespannt – mit und ohne Instrument, im Sitzen, Stehen und Liegen. So kann man herausfinden, welche körperlichen und klanglichen Folgen die einzelnen Bewegungen für das Musizieren haben. Hat der Körper etwa gelernt, dass es viel weniger Anspannung für das Musizieren braucht, verbessert sich unmittelbar auch der Klang.

Freundlich zu sich selbst sein

Doch wie hilft Feldenkrais, wenn sich der Musiker zu Hause frei bewegen und einen schönen Klang produzieren kann, auf der Bühne aber vor Lampenfieber der Bogen zittert und die Hände verkrampfen?

«Das Wahrnehmen des Lampenfiebers, das bewusste Wahrnehmen des Atmens, all das kann helfen, sich zu beruhigen», sagt Füzesi. Doch dieses bewusste Spüren muss erlernt werden: «Einen Zugang zu sich selbst und zu sich als Mensch auf der Bühne zu finden, das ist ein langer Prozess», erklärt sie.

Sich selbst in seiner Unvollkommenheit anzunehmen, führe auch oft dazu, dass die Menschen grundsätzlich freundlicher zu sich selbst würden. Dies wiederum vermindere die Angst vor der Bühne und somit auch das Lampenfieber.

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