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Musik Das Üben: Musiker und ihre Hassliebe

Was macht eine Meisterin oder einen Meister aus? 1 Prozent Inspiration und 99 Prozent Transpiration, meinte einst der Komponist Richard Strauss. Und nicht nur er: Das «Per-aspera-ad-astra»-Prinzip ist tief verwurzelt in unserem kollektiven Gedächtnis.

Ohne Fleiss kein Preis, von nichts kommt nichts. Die Frage ist aber, wie man das angehen kann, wie man mit der Einzelhaft am Klavier so umgehen kann, dass etwas Vernünftiges dabei herauskommt und es nicht nur bei den mechanischen, geistlosen Wiederholungen bleibt.

Buchhinweis

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Michael Wessel: «Üben - Proben - Karriere: 12 Interpreten im Gespräch», Bärenreiter Verlag, 2012.

Michael Wessel, Professor für Klavierspiel und Methodik an der Hochschule für evangelische Kirchenmusik Bayreuth, hat sich dem Thema Üben ausführlich gewidmet und ein Buch darüber geschrieben: kein Ratgeber und kein Handbuch allerdings, welche Tonleitern man wann wie oft spielen soll, um vielleicht mal berühmt zu werden, sondern ein Plädoyer für die langsame Auseinandersetzung. Die braucht Zeit. Und kann auch mal nur im Kopf stattfinden.

Stilles Notenlernen

Das Buch ist eine Sammlung von Interviews. Zwölf Interpretinnen und Interpreten geben erstaunliche Auskünfte, wie sie diese lustvoll-unlustige Thematik angehen. Die Sopranistin Annette Dasch zum Beispiel erzählt, dass sie beim Üben gar nicht zu singen brauche: «Das meiste Üben entsteht im Kopf, ich übe viel weniger laut als still. Ich lerne auch Noten meistens fast immer still, dann sitze ich zum Beispiel abends im Hotelzimmer im Bett, habe die Noten vor mir, eine Stimmgabel, einen Stift und lese einfach. Dabei ist es letztlich besser und nachhaltiger, wenn man nur mit Stimmgabel übt, weil man sich die Intervalle immer wieder selber suchen und exakt vorstellen muss. Das schult viel mehr, als sich vom Klavier und einzelnen Tönen abhängig zu machen.» Ähnlich geht es der Pianist Pierre-Laurent Aimard an und bringt sich Etüden von Claude Debussy nur durchs Lesen des Notentextes bei.

Jeder übt anders

Der eine macht es verbissen acht Stunden täglich, die andere belässt es bei einem Bruchteil. Der eine schliesst sich im Zimmer ein, bis er eine bestimmte Passage verinnerlicht hat, die andere liest die Noten, braucht kein Klavier und übt mit der Stimmgabel. Abgesehen davon, dass Finger und Hirn natürlich trainiert werden müssen, entscheidet die Persönlichkeit, wie geübt wird. Und die Übemethode wiederum prägt das, was sich als Künstlerpersönlichkeit entwickelt.

Denn letzten Endes muss die nicht nur die Musik und die Komponisten, sondern auch sich selbst entdecken. Diese Entdeckungen dem Publikum präsentieren. Und dieses Publikum dann emotional wie intellektuell bewegen. Vielleicht erfolgreich. Karriere? Eine Lebensaufgabe.

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