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Musik Die Niederlande sträuben sich gegen eine fagottlose Zeit

Kinder lassen heutzutage das Fagott links liegen. Wegen Klassikstars wie Janine Jansen und Lang Lang ziehen sie Klavier- oder Geigenunterricht vor. Damit das hölzerne Blasinstrument nicht ganz aus Orchestern verschwindet, wurde in den Niederlanden die Aktion «Rettet das Fagott!» ins Leben gerufen.

Das Amsterdamer Ferienorchester für Kinder hat eine merkwürdige Besetzung: 30 Geigen, zwei Cellos, zwei Flöten und ein Klavier. Genau so könne – etwas übertrieben formuliert – das Orchester der Zukunft aussehen, sagt Jochem Valkenburg.

Es ist nicht das einzige Beispiel, das dem musikalischen Leiter des renommierten Holland Festivals zu Ohren gekommen ist. Auch in anderen Kinderorchestern hätten das Fagott, aber auch das Horn oder die Oboe einen schweren Stand.

Audio
Elsbeth Gugger über «Rettet das Fagott!»
aus Kultur kompakt vom 01.10.2015.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 23 Sekunden.

Kein Starkult inklusive

«Kinder haben heutzutage ein Poster von Janine Jansen über ihrem Bett hängen», weiss Valkenburg. Die junge, inzwischen weit über die Grenzen bekannte niederländische Geigerin ist ihnen Vorbild, genau wie auch der chinesische Pianist Lang Lang.

Das Fagott dagegen habe nichts mit Starkult zu tun: «Es gibt keine Fagott-Berühmtheit, die das Instrument sexy gemacht hat.» Schade sei das, findet der Niederländer, schliesslich sei ein Orchester ohne Fagott wie eine Mahlzeit ohne Salz.

Rettet das Fagott!

Damit das altehrwürdige Holzblasinstrument mit den vielen Klappen nicht völlig in Vergessenheit gerät, hat Jochem Valkenburg die Aktion «Rettet das Fagott!» ins Leben gerufen. Mit grossem Erfolg, denn inzwischen haben sich zahlreiche Festivals, Musiksäle und sogar das berühmte Amsterdamer Concertgebouw der Kampagne angeschlossen.

Landauf, landab werden Konzerte mit Fagotten veranstaltet, und Radiostationen widmen dem verpönten Instrument ganze Sendungen. Zudem haben namhafte Komponisten wie Louis Andriessen oder Michael van der Aa halbminütige Fagott-Solos geschrieben.

Dicht an der menschlichen Stimme

Als Fagottist beim weltberühmten Concertgebouworkest freut sich Jos de Lange über die Aufmerksamkeit für sein Instrument. Schon als kleiner Junge, bevor er überhaupt gewusst habe, was ein Fagott ist, habe er dessen Ton geliebt.

Er liege am dichtesten bei der menschlichen Stimme: «Ich kann damit sprechen, singen oder brummen und dabei jeder Note eine andere Farbe geben», schwärmt der 60-Jährige. Zudem gefällt ihm, dass das Fagott im Orchester meistens einen Hintergrundpart spielt und nicht so oft die Melodie übernehmen muss wie die Trompete oder die erste Geige.

Bald 500 Jahre alt

Nächstes Jahr ist es genau ein halbes Jahrhundert her, seit das Fagott erstmals in alten Schriften erwähnt wurde. Ein Grund zum Feiern, wie Jos de Lange findet. Dass aber demnächst eine Fagottlose Zeit bevorsteht, will der Musiker nicht so recht glauben. Es sei sicher nützlich, dass das Fagott jetzt im Scheinwerferlicht stehe. Aber das Augenmerk zu viel auf dieses Musikinstrument zu richten wäre ungesund – schliesslich gebe es in Orchestern viel weniger Fagottstellen als für Geigen, Bratschen oder Cellos.

Abgesehen davon, gibt der Fagottist zu bedenken, habe die niederländische Regierung in den letzten Jahren so rigoros Kulturgelder gekürzt, dass ganze klassische Ensembles aufgelöst werden mussten. Das ist Initiant Valkenburg natürlich nicht entgangen. Die ganze Rettet-das-Fagott-Aktion sei vor allem auch eine verkappte Reklame, um Kinder überhaupt für ein Instrument zu begeistern, erklärt er.

Andere Instrumente im Fokus

Noch mindestens bis zum nächsten Holland-Festival im Juni 2016 wird das Fagott promotet. Danach wolle er das Augenmerk auf andere Instrumente richten, die ein Mauerblümchendasein fristeten, sagt Valkenburg. Dazu gehören unter anderen das Horn, oder die Oboe. Vorläufig brauchen sich Klassikfans in den Niederlanden also keine Sorgen zu machen: Auch in den Orchestern der Zukunft dürften Fagotte, Hörner oder Oboen mitspielen.

Sendung: SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 01.10.2015, 08:20 Uhr.

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