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Musik Ein kleines Basler Label bringt die Grossen unter seinen Hut

Seit 40 Jahren schon gibt es das Basler Plattenlabel Hat Hut. In dieser Zeit hat sich die Musikindustrie grundlegend verändert. Labelgründer Werner X. Uehlinger aber hält allen Stürmen stand – und veröffentlicht mit sicherem Gespür immer wieder aussergewöhnliche Aufnahmen.

Kartonhüllen, dünn, darauf stets die gleiche Titelschrift, schwarz-rot auf weissem Grund oder orange auf einem schwarz-weissen Foto. Die Aufmachung ist so schlicht wie exquisit, und erst recht der Inhalt: aktueller Jazz und Neue Musik vom Feinsten. Das sind die Merkmale das Basler Plattenlabels Hat Hut – und so erkennt man es auch in den Läden von New York oder Tokio: Musik von Weltformat, seit 40 Jahren.

Porträt von Uehlinger
Legende: Werner X. Uehlinger ist Gründer des Labels Hat Hut. Peewee Windmüller

Der Stein kommt immer mehr ins Rollen

Rund 500 Produktionen sind seither erschienen. Dabei gründete Werner X. Uehlinger das Label einst nur, um die Aufnahmen des Jazz-Saxophonisten Joe McPhee zu verbreiten. Aber dann ergab sich aus dem einen all das andere: zunächst die Kontakte mit Jazzgrössen wie Cecil Taylor, Steve Lacy oder Anthony Braxton, mit Musikern, die sich auch mit Neuer Musik auskannten. Und als die Basler Pianistin Marianne Schroeder eine Platte mit Musik von Braxton und Karlheinz Stockhausen aufnahm, lernte Uehlinger allmählich auch die Avantgarde besser kennen.

Mit dem deutschen Flötisten Eberhard Blum nahm er nach und nach einige gewichtige Werke von Morton Feldman und John Cage auf. So kam der Stein ins Rollen: Orchesterstücke finden sich im Katalog, historische Aufnahmen aus den Rundfunkarchiven, junge Komponistinnen wie Liza Lim und Katharina Rosenberger oder das Ensemble für Neue Musik Zürich. Gleichzeitig liefen die Jazzproduktionen weiter. So ist einiges von Gewicht zusammengekommen.

Das Business wird härter

Audio
«hat hut» hat gute Musik
aus Musik unserer Zeit vom 18.11.2015.
abspielen. Laufzeit 59 Minuten 55 Sekunden.

Was mit der LP begann, ging bald auf die CD über. Uehlinger hält sie für eine Fehlgeburt, vor allem der Plastikhülle wegen, die er durch den keineswegs billigeren, aber viel schöneren Karton ersetzte. Auch die «Verramschung» der Musik stört ihn, denn für ihn ist eine CD ein sorgfältig konzipiertes und aufgenommenes Kunstprodukt.

Das Downloaden tat ein Übriges zur Krise der Tonträger. Verkaufte Hat Hut in den Anfangszeiten von einer Produktion noch 3000 bis 4000 Stück, so heute vielleicht noch 1000. Auch die Kooperation mit den Radioanstalten hat sich zunehmend verschlechtert, grosse Künstlergagen wie einst kann man nicht mehr zahlen. Und seit eine Grossbank ihr Sponsoring beendet hat, ist der Einmannbetrieb Hat Hut wesentlich auf Gönner angewiesen: «Ohne diese private Unterstützung hätte ich vor Jahren schon die Fahne einziehen müssen.»

Audio
Jazz-Schallplatten-Produzent Werner Uehlinger und sein Label «Hat Hut» (Schauplatz, 3.11.1983)
12:55 min
abspielen. Laufzeit 12 Minuten 55 Sekunden.

Entdeckerfreude auch nach 40 Jahren

Aber Uehlinger bleibt innovativ, ständig auf der Suche nach Nischen. Auch die LP findet da wieder ihren Platz. Demnächst erscheint auf Vinyl eine Reedition alter Aufnahmen von Sun Ra. Die Neugier ist kennzeichnend für Werner X. Uehlinger – und er vermisst diese Entdeckerfreude und den Mut zu Neuem in der heutigen Generation.

Er selber lässt sich immer wieder von Unbekanntem begeistern. «Mir ist es wichtig, dass ich hundert Prozent hinter etwas stehen kann. Sonst lasse ich die Finger davon.» Ein besseres Kriterium gibt es für ein Plattenlabel eigentlich nicht.

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