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Musikredaktor Florian Hauser über den diesjährigen Gewinner des Ernst-von-Siemens Musikpreises
Aus Kultur-Aktualität vom 16.06.2021. Bild: Foto: Kai Bienert
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Ernst-von-Siemens Musikpreis Georges Aperghis: Höchste Ehre für den Meister des Musiktheaters

Frei von Pathos, faszinierend filigran: Komponist Georges Aperghis erhält den «Nobelpreis der Musik». Eine Verbeugung.

Der Ernst-von-Siemens Musikpreis ist nicht eine Auszeichnung für besonders innovative Konzepte oder junge Künstlerinnen und Künstler. Er zeichnet ein Lebenswerk aus. Wenn es ein so überzeugendes ist wie bei dem 75-jährigen Georges Aperghis, dann ist das erstens ein Glücksfall und zweitens hochverdient.

Musikalische Zauberwelten

Eine Emotion zünden, eine Ordnung stören, eine Struktur ins Wanken bringen: Das ist das künstlerische Credo von Georges Aperghis. Denn so werden wir als Publikum dazu gezwungen, wieder aufmerksamer zu sein.

Wir können in verborgene Räume eindringen, die ihre eigene Geschichte erzählen. Wir können in einen Wald von Akkorden gelangen. Wir können schwere und gewaltige Klänge entdecken oder solche, die leicht wie Flammen sprühen. Es sind Zauberwelten, die Aperghis seit Jahrzehnten erschafft.

Ernst-von-Siemens Musikpreis

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Der Ernst-von-Siemens Musikpreis ist einer der wichtigsten Preise der Klassikbranche und mit 250'000 Euro sehr hoch dotiert. Die Geigerin Anne Sophie Mutter hat ihn schon bekommen, der Schweizer Komponist Beat Furrer, Leonard Bernstein und Daniel Barenboim. Seit Dienstagabend ist bekannt, dass der renommierte Ernst-von-Siemens Musikpreis 2021 an den französisch-griechischen Komponisten Georges Aperghis geht.

Lehrjahre in Paris

1963, Aperghis war 18 Jahre alt, schmeisst er in Athen die Schule und haut nach Paris ab. Dort taucht er in die Welt der Malerei und des experimentellen Theaters ein, will die Grenzen zwischen Musik und theatraler Aktion sprengen, das Publikum mit einbeziehen. Er gründet sogar eine eigene Musiktheatertruppe.

Aber dabei bleibt er nicht stehen. Aperghis will ein Theater erfinden, das innerhalb der Musik stattfindet. Er will, dass die theatrale Aktion in die Musik hinein diffundiert und dass wir dort im Inneren der Musik auf musikalische Personen treffen, auf kleine Rezitative und Situationen, in denen sich Instrumente eng miteinander verbinden, Konflikte austragen, Lösungen finden.

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Klees Handpuppen mit Aperghis Musik
aus DRS2aktuell vom 21.09.2007.
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Imaginäres Theater

Das heisst aber auch, dass es nicht um die grossen politisch-gesellschaftlichen Themen wie im herkömmlichen Musiktheater gehen kann, sondern um Fragmente, die zufällig aufeinandertreffen. Daraus entspinnt sich plötzlich ein kleines imaginäres Theater.

Georges Aperghis hat einmal gesagt, er habe eine geradezu zärtliche Aufmerksamkeit für allgemein vernachlässigte, angeblich wertlose Klänge, für Ideen und Konzepte, für Material, das als nutzlos, flüchtig und steril gilt. Gerade das kann ein faszinierendes Eigenleben entwickeln und es entsteht eine dichte, aber filigrane Musik, die vollkommen frei von postromantischem Pathos ist.

Aus Theater wird Konzert, aus Worten Musik, aus Gefühlen Humor, farbige Klangmaterie schlängelt sich über dichte Klangpfade. Und überrascht uns in jeder Sekunde neu.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 16.6.2021, 8:06 Uhr

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