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Kultur und Tourismus Gut fürs Geschäft: Liverpool und der Beat der Beatles

Renovierte Elternhäuser, Hotel, Clubs, Museen: Seit den 1990er-Jahren setzt Liverpool auf die Beatlemania – mit Erfolg.

Das Wichtigste in Kürze

  • Liverpool zählt zu den zehn ärmsten Städten des Vereinigten Königreichs.
  • 560'000 Touristen kommen jedes Jahr in die frühere Arbeiterstadt – 49'000 Arbeitsplätze sind vom Tourismus abhängig
  • Der Beatles-Tourismus spült jährlich über 97 Millionen Euro in die Stadt.

Jeden Morgen um 11 Uhr setzt sich der bunt lackierte Bus in Bewegung. Fünfmal am Tag die gleiche Tour, stets gut gefüllt mit Besuchern von Tokio bis Buenos Aires, von 16 bis 76. Sie sind Gäste der «Magical Mystery Tour», einer Zeitreise auf den Spuren der berühmtesten Söhne der Stadt.

Selfie mit John & Co.

Die Reise beginnt im Albert Dock, dem restaurierten historischen Hafen Liverpools. Neben dem Fahrer sitzt Joey Lyons und gibt den burschikosen Beatles-Experten. Etwa, wenn es um die vier Bronzestatuen am Pier Head geht. Jede ist über zwei Meter hoch und zeigt die Fab Four in dynamischer Pose. Kein Beatles-Tourist, der nicht hier ein Selfie macht.

Audio
Liverpool – dank den Beatles ein boomendes Touristenziel
aus Kontext vom 29.06.2017. Bild: Imago/Loop Images
abspielen. Laufzeit 17 Minuten 25 Sekunden.

Viele Liverpudlians leben recht gut von der Vergangenheit, sagt Joe Keggin vom städtischen Tourismusbüro. Liverpool sei eines der grössten Touristenziele im Land – vor allem wegen der Beatles. Keggin präsentiert stolz die Erfolgszahlen: «Jedes Jahr kommen 560'000 Touristen nach Liverpool. 49000 Arbeitsplätze sind vom Tourismus abhängig».

Der Beatles-Tourismus spüle jährlich über 97 Millionen Euro in die Stadt, so Keggin. «Die Beatles sind eine wichtige Marke für Liverpool», resümiert der schlanke Mittdreissiger. Ohne die Beatles würde Liverpool anders aussehen.

Ein gelb-blau lackierte Bus mit der Aufschrift: Magical Mystery Tour.
Legende: Knallbunte Stilikone: der Bus der Magical Mystery Tour. SRF/Sven Weniger

Diebstahlsichere Strassenschilder

Weiter geht es auf der «Magical Mystery Tour», die magische Rätselreise im Wunderland nicht versiegender Anekdoten und Begebenheiten. Der bunte Bus nähert sich einem der Höhepunkte jeder Tour: Penny Lane. Lyons Ross lächelt schelmisch.

«Als die Beatles den Song 1967 herausbrachten, kamen Menschen in Scharen aus der ganzen Welt hierher.» Die Strassenschilder wurden als Souvenirs einfach abmontiert. Mit den Jahren wurde das dem Stadtrat zu bunt – man liess die Schilder diebstahlsicher in Mauern verankern.

Plaudern mit Paul McCartney

Nächster Stopp: LIPA, das Liverpool Institute for Performing Arts. Hier ging Paul McCartney zur Schule. John Lennon und seine erste Frau Cynthia studierten hier Kunst. McCartney kaufte 1996 das heruntergekommene Gebäude und baute es zu einer renommierten Kunstakademie um.

Joey Lyons, der Mann fürs Insiderwissen, zaubert eine spezielle Story aus dem Hut: «Eines Tages stand ich hier mit einem deutschen Paar. Plötzlich geht eines der Fenster auf und Paul McCartney ist zu sehen. Die Frau rennt zum Fenster und schreit: ‹Paul, Paul, Paul!› Also lehnt der sich vor und fragt, woher sie komme. Dann spricht er doch wirklich auf Deutsch zu ihr. Die Frau fängt an zu heulen. 64 Jahre hat sie darauf gewartet, ihn zu treffen.»

EIn grosses gusseisernes Gartentor.
Legende: Gästebuch aus Gusseisen: der Eingang zu den Strawberry Fields. Sven Weniger

Wo die Grossen klein waren

Dann hält die der Bus an dem Ort, dem die Beatles 1967 einen weiteren Song gewidmet haben: Strawberry Field. Auf dem Gelände der Heilsarmee hat John Lennon als Kind gespielt. Übrig geblieben ist allein das berühmte rote, gusseiserne Tor, das im Jahr 2000 gestohlen, aber von der Polizei wiedergefunden wurde. Besucher kommen hierher, schreiben Sprüche an Tor und Mauer. Ein Gästebuch aus Metall und Sandstein.

Die St. Peter's Church im Stadtteil Woolton ist ein mystischer Ort in der Beatles-Geschichte. Hier trafen sich John Lennon und Paul McCartney zum ersten Mal am 6. Juli 1957. Auf dem Friedhof liegen die Gräber von Eleanor Rigby und John McKenzie dicht beieinander. Beide Namen tauchen in dem berühmten Beatles-Titel Eleanor Rigby auf.

Quatschen über Kitsch

An der 20 Forthlin Road im Stadtteil Allerton hält der Bus vor einem Mittelklasse-Reihenhaus der 1950er-Jahre: roter Klinker, 60 Quadratmedter Grundfläche, Bad im Haus, winziger Garten. Die meisten Fans auf der «Magical Mystery»-Bustour dürfen nur von der Strasse einen Blick darauf werfen, wo Paul McCartney sieben Jahre seiner Jugend verbrachte. Hunderttausende pilgern jährlich zu den Häusern.

Die Beatles an einer Türe im Beatles-Museum «The Beatles Story».
Legende: Versteckt im Souterrain: das Beatles-Museum «The Beatles Story». Sven Weniger

Zurück beim Albert Dock liegt versteckt im Souterrain «The Beatles Story». Das Museum ist ein Füllhorn an Beatles-Geschichten und Memorabilien. Hier wurden jede Menge Fotos und Filme zusammengetragen, Möbel, Instrumente, Beatles-Outfits, Devotionalien und anderer Beatles-Kitsch. Doch all das bleibt meist im Anekdotenhaften stecken, Zusammenhänge werden hier nicht erklärt.

Die letzte Station ist der Cavern Club in der Mathew Street. Von 1961 bis 1963 hatten die Beatles hier im Kellerclub fast 300 Auftritte, dann verschaffte ihnen Manager Brian Epstein eine Konzerttour in den USA. Es wurde ihr Durchbruch.

Grösser als das Leben

«Es ist eine Ironie der Geschichte, dass gerade ich soviel mit der Vergangenheit, Gegenwart und auch Zukunft des Clubs zu tun habe», sagt Direktorin Julia Baird. Sie ist die Halbschwester John Lennons. Seit dessen Tod ist sie stark im Beatles-Hype engagiert und wird von der Stadt gerne zu Promotionszwecken eingesetzt, wenn es darum geht, die Beatlemania unter Dampf zu halten.

Die Beatles, sagte John Lennon einmal in einer Mischung aus Ironie und Grössenwahn, seien grösser als Jesus. Der Satz wurde ihm sogleich um die Ohren gehauen. Auch wenn sie nicht grösser als Jesus sein sollten: Grösser als das wahre Leben sind die Beatles, ihre Geschichten und Legenden, allemal.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 1.7.2017, 9:02 Uhr

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