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Dorothee Oberlinger spielt Bachs Brandenburgische Konzerte
Aus Kultur Extras vom 22.12.2013.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 20 Sekunden.
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Musik Im Kampf gegen das schlechte Image der Blockflöte

Ob man will oder nicht, in der Adventszeit hört man sie wieder: Blockflöten, die Schreckenspfeifen aus dem Kinderzimmer. Doch dem Instrument lassen sich nicht nur schiefe Quietschgeräusche, sondern auch himmlische Klänge entlocken.

Die Blockflöte hat nach wie vor einen schlechten Ruf. Zu Unrecht, wie derzeit die deutsche Flötistin Dorothee Oberlinger beweist. Denn bei ihr klingt die Flöte im wahrsten Sinne des Wortes himmlisch – und dies nicht nur zur Weihnachtszeit.

Kein Wunder hat Dorothee Oberlinger soeben wieder einen Echo-Klassik-Preis bekommen für ihre CD mit Werken von Georg Philipp Telemann. Auch bei ihrem Konzert in der Zürcher Tonhalle am Freitagabend stand Telemann im Zentrum, neben Werken von Bach und Vivaldi.

Blockflöte als Zwang

Bis kurz vor dem Konzert stimmt sie sich auf die Akustik des Saales ein. Sie trägt eine knappe, braune Lederjacke, Jeans und T-Shirt, über dem ebenmässigen Madonnen-Gesicht eine gelockte, kastanienbraune Mähne. Dorothee Oberlinger fällt auf. Sohn David, erst sieben Monate alt, darf in der Tonhalle zuhören, wie Mama der Flöte betörende Klänge entlockt.

Dass ihr Instrument ein schlechtes Image hat, ist auch Dorothee Oberlinger bewusst. «Das liegt daran, dass die Blockflöte im 20. Jahrhundert zu dem pädagogischen Instrument wurde», sagt sie. «Jedes Kind musste unter Zwang mit 30 anderen Kindern in der Klasse Flötespielen lernen. Zum Teil mit schlechten Instrumenten und nicht besonders gut angeleitet. Da kann man sich doch vorstellen, dass das zum Trauma wird».

Flöten sind wie Stimmen

Sie selbst, in Aachen als Tochter eines Pfarrers und einer Musiklehrerin aufgewachsen, hat sich schon als Kind mit der Flöte angefreundet. «Es hat sich einfach so ergeben, dass ich immer Flöte spielen wollte. Dabei habe ich auch andere Instrumente gelernt».

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Dorothee Oberlinger über Georg Philipp Telemann
Aus Kultur Extras vom 22.12.2013.
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Inzwischen ist sie ein Star auf ihrem Instrument und schwärmt von seinen Qualitäten. «Die Flöte ist ein sehr direktes Instrument und dem Gesang sehr nahe. Flöten sind ja auch sehr unterschiedlich, ob Renaissance- oder Barockflöte, oder jene Flöten, die speziell für Neue Musik entwickelt wurden. Es gibt grosse und sehr kleine Instrumente, sodass man eine ungeheure Vielfalt hat wie die verschiedenen Stimmen in einem Chor oder die Register einer Orgel.»

Alte Musik und Pop

Sie selbst besitzt rund 100 Flöten, von denen einige aber reine Sammlerstücke sind. Eine ihrer liebsten Flöten ist eine Alt-Barockflöte, die sie seit vielen Jahren besitzt und mit der sie die meisten Einspielungen gemacht hat, auch ihre Telemann-CD. «Telemann hat für die Blockflöte ein grosses Original-Repertoire hinterlassen», erzählt sie. Diese Stücke gehören nun zu ihrem Kern-Repertoire.

Mittlerweile gilt sie als Spezialistin für Alte Musik und ist Professorin am Mozarteum in Salzburg. Aber für sie ist das Spektrum der Musik weit grösser. Neue Musik ist ihr wichtig. In der Freizeit hört sie auch Pop und Rock, Patti Smith oder Kraftwerk. «Als Kompensation», wie sie sagt. Und Annäherungsversuche hat es sogar zum Zürcher Pop-Duo Yello gegeben.

Mit Yello in der Sahara

Auf der CD «Touch Yello» spielt Dorothee Oberlinger mit ihrer Flöte zur elektronischen Musik von Boris Blank. «Sehr eindrücklich» hat sie die Zusammenarbeit gefunden. Es wurde improvisiert und sehr emotional gespielt.

«Wir sind dann in einer Sahara-Wüstenstimmung gelandet», erinnert sie sich. «Und so heisst das Stück jetzt ‹Takla Makan›, also Wüste ohne Wiederkehr. Es ist eine gewisse mystische, schwüle Stimmung in dieser Musik.»

Wenn immer möglich, besucht Oberlinger auch Konzerte ihrer Kollegen. «Allerdings viel zu selten», bedauert sie. «Man lernt so viel von den Kollegen. Es ist grossartig, wenn andere Leute es anders machen als man selbst.» Dann ziehst sie die Lederjacke aus und das lange schwarze Abendkleid an, fasst die Flöte und begeistert sich selbst genauso an der wundervollen Musik, die sie spielt, wie das Publikum unten im Saal.

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