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Musik Jazz und Hip-Hop: Mehr als nur ein Flirt

Gerappte Texte und schnelle Linien auf der Trompete: Passt das zusammen? Und ob! Die Verbindung von Jazz und Hip-Hop gehört zu den fruchtbarsten der Musikgeschichte. Ein Blick auf sieben wegweisende Alben.

Die einen spielen verrückte Linien über komplizierte Harmonien, die anderen dichten aus dem Stand Texte über knüppelharte Beats. Auf den ersten Blick scheinen Jazz und Hip-Hop nicht sehr nahe. In Tat und Wahrheit dauert diese musikalische Liebelei aber schon viel zu lange, um nur flüchtiger Flirt zu sein.

Der Sänger Gil-Scott Heron hat schon vor 45 Jahren spoken word mit Jazz vermischt, und bald beeinflussten sich viele Künstler beider Genres gegenseitig: Von Jazzmatazz über Buckshot LeFonque bis zum Pianisten Robert Glasper.

Oder wie der Rapper Guru sagte: «You Gotta Hear Blue Note to Dig Def Jam!» Um die Musik des Hip-Hop-Labels Def Jam zu verstehen, muss man die Musik des Jazz-Labels Blue Note gehört haben...

Jazz meets Hip-Hop: 7 wegweisende Alben

  • 1. 1971 –– Gil-Scott Heron: Pieces Of A Man

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    «The Revolution Will Not Be Televised» (Ausschnitt)
    01:00 min Bild: Wikimedia/Mikael Alterberg
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    Man nennt ihn gerne den «Godfather of Hip-Hop» – und er hat die Auszeichnung verdient: Gil-Scott Heron. Seinen Zorn über die amerikanische Gesellschaft schrieb er zunächst in Gedichten und in zwei Romanen nieder, mit mässigem Erfolg. Als er aber merkte, dass er seine Texte singen musste, um gehört zu werden, schlugen seine Produktionen plötzlich ein wie eine Bombe. «The Revolution Will Not Be Televised» ist Hip-Hop avant la lettre, Sprechgesang über funkig-jazzigen Rhythmus, Spoken Word über einen Beat. Und: Auch 2010 hat Gil-Scott Heron auf seinem letzten Album noch einmal den State of the Art markiert. Revolutionär.

  • 2. 1983 – Herbie Hancock: Future Shock

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    «Rockit» (Ausschnitt)
    01:00 min Bild: Keystone
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    Herbie Hancock hat dank der Gruppe Us3 seinen Bekanntheitsgrad vervielfachen können. Aber schon 10 Jahre davor hat er im Hip-Hop Pionierarbeit geschaffen. Zusammen mit dem Produzenten Bill Laswell und vor allem mit einem der Urväter des DJing, GrandMixer DST, spielt er den Track Rockit ein. Die Beats haben heute zwar etwas Patina, aber die Lektion von GrandMixer DST wird zum Startschuss für unzählige DJs. Die merken nämlich plötzlich, dass man mit Plattentellern nicht nur Musik abspielen, sondern auch selber in den Rhythmus eingreifen kann. Scratching heisst von da an die Devise.

  • 3. 1989 – Public Enemy auf Music from «Do the Right Thing»

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    «Fight the Power» (Ausschnitt)
    01:00 min Bild: Keystone
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    Sprechgesang über Musik ist seit Gil-Scott Heron oft politisch. So wütend und ungeschminkt wie bei Public Enemy hat man die politische Botschaft aber noch nie gehört. Und gesehen: Public Enemy tragen den Kampf auf die Bühne, stellen grimmige Bodyguards an den Bühnenrand und rappen sich Strophe um Strophe ihre Wut von den Seele. Und der Jazz? Wird verehrt, weil er ebenfalls immer auch revolutionäres Potential hatte. Und er wird auch eingeladen: Branford Marsalis greift auf Fight the Power zum Horn und trägt zur Intensität wesentlich mit bei.

  • 4. 1993 – Us3: Cantaloop Flip Fantasia

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    «Cantaloop Flip Fantasia» (Ausschnitt)
    01:00 min Bild: Wikimedia/Przemysław Jahr
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    Jazz und Hip-Hop spannen schon viele Jahre zusammen, als die US-Rapper Us3 ihren Hit «Cantaloop Flip Fantasia» landen. Es ist aber dieser Track, der aus dem Flirt zwischen Jazz und Hip-Hop sozusagen ein offizielles Verhältnis macht. Das Sample von Herbie Hancocks «Cantaloup Island» macht die Rapper weltberühmt, und auch Hancock dürfte – wenigstens was Ansehen und Bekanntheit anbelangt – stark profitiert haben. Hip-Hop ist hiermit salonfähig geworden. Und der Track hat einfach Klasse.

  • 5. 1993 – Guru: Jazzmatazz, Vol. 1

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    «Loungin'» (Ausschnitt)
    01:00 min Bild: Wikimedia/Barbara Mürdter
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    Die Rapper vor Guru haben den Jazz vor allem als Vehikel verwendet, um die Message zu transportieren. Guru aber hat selber eine Stimme, mit der er auch als Crooner durchgehen würde. Er liebt den Jazz, den er aus der Plattensammlung seines Vaters kennt. Und er kommt mit seiner musikalischen Art der Phrasierung dem Jazz näher als irgendein Rapper vor ihm. Sein Jazzmattazz-Projekt ist eine Zusammenarbeit mit Jazzmusikern auf Augenhöhe, live eingespielt, ein Lebenswerk.

  • 6. 1995 – Branford Marsalis: Buckshot LeFonque

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    «Breakfast at Denny's» (Ausschnitt)
    01:00 min Bild: Keystone
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    Branford Marsalis ist ein Ewighungriger. Nach der Zeit zusammen mit seinem Bruder Wynton Marsalis in der Welt des traditionellen Jazz, spätestens aber nach seinem Erfolg als musical director bei Sting in der Welt des Pop-Rock ist allen klar: Was Branford anpackt, das macht er richtig. Und wenn er nach ein paar Gastspielen in der Welt des Hip-Hop selber ein Hip-Hop-Projekt anpackt? Dann spielt er auch dort in der ersten Liga. Sein DJ ist niemand geringerer als die zweite Hälfte von Gangstarr, DJ Premier (die erste ist Guru). Seine Solisten sind natürlich erste Sahne, und Buckshot LeFonque ist – auch als Sequel «Music Evolution» – ein Fest.

  • 7. 2012 – Robert Glasper: Black Radio

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    «Cherish the Day» (Ausschnitt)
    01:00 min Bild: Keystone
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    Haben im 21. Jahrhundert der immense Erfolg und das liebe Geld dem Hip-Hop den revolutionären Zahn gezogen? Ihn unlustig auf pubertären Themen herumkauen lassen? Und vom Jazz Abstand nehmen lassen? Stimmt nur bedingt. Die Annäherung ist vielleicht weniger plakativ, aber dafür erwachsener geworden. Künstler wie Robert Glasper lassen sich gar nicht mehr eindeutig dem Jazz oder dem Hip-Hop zuordnen. Sie machen beides, und beides gleich raffiniert. Jazz und Hip-Hop haben nicht nur geflirtet und sich schliesslich verbunden – sie haben auch Nachwuchs produziert.

Sendehinweis

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Dem Thema Jazz und Hip-Hop widmet sich die Sendung «Jazz Collection»:

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