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Opernhaus Sydney Noch klingt's hier wie im Hangar, bald wie im Himmel

Das Opernhaus von Sydney wird generalüberholt. Grund: Die Akustik in einem der grössten Konzertsäle der Welt schwächelt.

Die Violine singt im Hintergrund, erst sanft, dann energisch. Bald meldet sich das Cello, dann kommen die Hörner dazu. In Kürze ist die Orchesterprobe im Sydney Opera House in vollem Gange.

Jürgen Reinhold und Gunter Engel stehen im Seitengang der ersten Reihe, die Arme verschränkt, die Ohren gespitzt. «Das Opernhaus von Sydney gehört sicher nicht zu den zehn besten Konzertsälen der Welt», analysiert Reinhold, «eher zu den hundert besten.»

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Wie das Opernhaus Sydney eine besser Akustik bekommen soll
aus Kultur kompakt vom 19.02.2018. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 9 Sekunden.

Kritik wegen Akustik

Die beiden Experten aus München arbeiten am offenen Herzen einer Kulturikone. Sie müssen die Akustik im Hauptsaal des Opernhauses von Sydney verbessern – ein Unterfangen mit höchstem Anspruch.

Seitdem das spektakulärste Gebäude Australiens 1973 eingeweiht wurde, klagen Zuhörer in gewissen Sektoren der Konzerthalle über mangelhafte Akustik.

«Dumpf und echomässig», töne es – «flach» seien gewisse Instrumente. Auch Künstler halten mit Kritik nicht zurück: Der Schauspieler John Malkovich wütete einst, ein Flugzeughangar töne besser.

Heikle Renovierung

Das Opernhaus von Sydney lässt niemanden kalt. Schon gar nicht, wenn es um das 220 Millionen Franken teure, über eine Dekade laufende «Programm der Erneuerung» geht.

In Sydney wird beklagt, einige Modernisierungsmassnahmen würden die «Vision» des Architekten Jørn Utzon verletzen. Unsinn, sagen die Betreiber des Hauses.

Viel zu lange, viel zu teuer

Emotionale Debatten gehören zum Haus wie die strahlend weissen Segeldächer. Utzon und sein Konzept waren umstritten, seit der Däne auf dem Reissbrett den ersten Strich gezogen hatte.

Das Opernhaus während den Bauarbeiten.
Legende: Die Bauarbeiten zogen sich in die Länge – auch 1967 war das Opernhaus noch nicht fertig. Keystone

Die Probleme zeigten sich in einer 14-jährigen Bauzeit – zehn Jahre länger als geplant – und einem aus den Fugen geratenen Budget. Utzon nahm schliesslich den Hut. Er war empört über seine Behandlung durch Politiker und neidische Architekten.

Heute erhitzen architektonische Anpassungen an moderne Bedürfnisse die Gemüter – etwa die Verbesserung des Zugangs für Behinderte. Kaum umstritten dagegen ist, dass die Akustik in der grossen Halle verbessert werden muss.

Unlösbares Problem?

Mit 2679 Sitzen ist der Konzertsaal im internationalen Vergleich sehr gross – ein Grund für die Schwierigkeiten. «Es ist seit langer Zeit ein Problem», gibt Louise Herron, Unternehmenschefin des Opernhauses, zu.

«Ein Problem, das wir bisher nicht lösen konnten. Es wäre wunderbar, wenn das klappen würde.» Engel und Reinhold sind dran. Der Bauphysiker und Bob Marley Fan Reinhold und sein Kollege Engel, ein Physiker, Tonmeister und Klavierlehrer, haben viel Leidenschaft für ihre Arbeit.

Zwei Männer in einem Konzertsaal
Legende: Jürgen Reinhold, links, und Gunter Engel sorgen für himmlische Opernklänge. Urs Wälterlin

Mit hochsensiblen Mikrofonen messen die beiden an strategischen Punkten im Saal Töne. «Ein Problem ist die teilweise gewölbte Decke der Konzerthalle», erklärt Reinhold.

Sie sorgt für einen ungewollten Widerhall. Ein weiteres Problem: Die Töne «verschwinden» im Raum über der Orchesterbühne. Dadurch können sich die Musiker gegenseitig nicht gut hören.

Physik der Musik

«Es geht darum, die perfekte Balance zu finden zwischen einem Ton, der direkt vom Orchester kommt, und dem Sound, der von Wänden zurückschallt», so die Physiker.

Dieser sollte im Fall von Musik nicht später als 80 Millisekunden nach dem direkten Ton vom Gehör aufgenommen werden. Dauert die Verzögerung länger, kann der reflektierte Ton als Echo wahrgenommen werden. In einem Konzert ist das alles andere als erwünscht.

Die Meister des guten Tons

Engel und Reinhold gehören zu den weltweit erfahrensten Akustikexperten. Sie haben in unterschiedlichen Sälen den Ton gestaltet oder verbessert: In der Opéra Garnier in Paris, der Felsenreitschule in Salzburg, der Oper in Moskau und sogar dem Reichstagsgebäude in Berlin.

Ohne Kritik von Seiten der Utzon-Puristen wird es wohl nicht gehen, wenn im Konzertsaal die Bauarbeiter hämmern. Spätestens 2019 ist die Zeit gekommen, um von einem der bedeutendsten Attribute der Konzerthalle Abschied zu nehmen: Wie Donuts geformte Schallkörper aus Plexiglas.

Wie die neuen Reflektoren aussehen werden, ist noch nicht klar. «Im Test waren sie aus Holz. Das ist unser favorisiertes Material. Wegen der geforderten Doppelkrümmung und der Gewichtslimiten ist das aber nicht so einfach herstellbar.» Ob Holz oder Plastik – sicher ist eins: Nicht nur die Konzertbesucher werden sich freuen, sondern auch die Kritiker.

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