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Musik Saxophonist Ornette Coleman hat den Free Jazz nachhaltig geprägt

«Free Jazz» hiess seine berühmteste Platte und sie war Programm für eine ganze Epoche: Der Saxophonist Ornette Coleman gehörte zum halben Dutzend Jazzmusiker, die diese Musik nachhaltig geprägt haben. Heute morgen in er New York gestorben.

Schon der Titel seiner zweiten Platte unter eigenem Namen war die pure Provokation: «The Shape of Jazz to Come» sei es, was da gespielt würde. Coleman war damals ein 29-jähriger Musiker, den kaum einer kannte. Und gerade er stellte nun die kühne Behauptung auf, den Jazz der Zukunft erfunden zu haben. Im Rückblick allerdings zeigt sich: Auch wenn der Titel vielleicht die Idee eines findigen Produzenten war, der Jungspund hatte nicht zu viel versprochen. 1959, als das Album erschien, waren es sehr wenige, die ihm Recht gegeben hätten.

Die «richtigen» Jazzer schüttelten den Kopf

Die Musik, die Ornette Coleman mit seinem Quartett präsentierte, klang völlig anders als alles, was rund herum gespielt wurde. Auch das Erscheinungsbild der vier jungen Männer, die zusammen zu Werke gingen war gewöhnungsbedürftig: Coleman selber spielte ein weisses Plastiksaxophon der billigen Sorte, und sein Kollege Don Cherry eine Trompete, die aussah wie eine Kindertröte. Sie spielten ihre Melodien so, dass man hätte denken können, sie beherrschten sie nicht, nachlässig, unpräzis und schlecht intoniert, und bei ihren Improvisationen schüttelten die «richtigen» Jazzer nur noch den Kopf: So geht das nicht!

Es gab allerdings schon ein paar ältere Kollegen, die an Ornette Coleman und seine Musik glaubten, John Lewis, der Pianist des Modern Jazz Quartet etwa. Das hätte all denen zu denken geben müssen, die wussten, wie richtiger Jazz klingt. Denn John Lewis verkörperte das perfekte Gegenteil, er war ein Grandseigneur der Johann Sebastian Bach liebte. Er hörte einfach genauer hin.

Niemand kam an seiner Musik vorbei

Wie auch immer: Das Ornette Coleman Quartett hatte einen Sound in die Welt gesetzt, an der in Zukunft keiner mehr vorbeikam, die ein musikalisches Erdbeben ausgelöst hatte. Und mit der nächsten Platte, die als Improvisation für ein Doppelquartett angekündigt war, etablierte Coleman auch das Etikett für seine Musik: «Free Jazz».

So frei wie der Name behauptete allerdings, ist Ornette Colemans Musik nicht. Er selber hat den theoretischen Überbau dazu geliefert in Form eines Werk über sein «harmolodisches» Konzept, – harmolodisch als Mischung aus harmonisch und melodisch – das allerdings Musiker und Fans, die sich vertieft damit befassten, eher verwirrte.

Anspruch: schöne Musik

In einer späteren Phase seiner Karriere begann Ornette Coleman mit seiner neuen Band «Prime Time» exzessiv mit elektrischen Instrumenten zu arbeiten und mit Rock zu liebäugeln. Seine eigenen Improvisationen allerdings schwebten gleichsam hoch über dem elektronischen Gebräu.

Audio
Peter Bürli zum Tod von Ornette Coleman
aus Kultur kompakt vom 11.06.2015.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 5 Sekunden.

Wer Ornette Colemans Musik heute hört, wird die Aufregung, die sein Auftreten in den späten 1950er-Jahren provozierte, kaum mehr verstehen. Er selber nahm immer in Anspruch, im Wortsinn schöne Musik zu spielen, seine berühmte Ballade «Lonely Woman» auf «The Shape of Jazz to Come» zeigt uns genau dies: Pure Schönheit.

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