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Musik Tage für neue Musik: Nichts für Schlappohren

Die Tage für Neue Musik Zürich widmen sich dieses Jahr den USA. Dirigent Zinman erfüllt sich dabei einen lange gehegten Wunsch: Er dirigiert ein Werk von Charles Ives – ein Mann, der europäische Musik für verweichlicht hielt.

Das meiste davon sei Musik für Schlappohren, meinte der Komponist Charles Ives über die von Richard Wagner geprägte europäische Musik um 1900. «Die Musik war schon immer in viel zu hohem Mass eine verweichlichte Kunst, und Wagner hat das Seine dazu getan, es dabei zu belassen. Das bisschen Männlichkeit, das sie besitzt, ist vorgetäuscht.»

Charles Ives ging wie ein echter Yankee-Pionier seinen Weg abseits der akademischen Strömungen. Er experimentierte, indem er zwei Klaviere um einen Viertelton verstimmte oder zwei Orchester in verschiedenen Tempi gegeneinander spielen liess. Er zitierte durcheinander verschiedene Märsche und Lieder und überlud seine Akkorde bis zum Gehtnichtmehr mit Tönen. Daraus entstand etwas völlig Eigenständiges, dessen Bedeutung in Europa erst viel später erkannt wurde.

Verhaltener Austausch über den Atlantik

Tage für Neue Musik Zürich

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Die Tage für Neue Musik finden dieses Jahr vom 14. bis 17. November an verschiedenen Schauplätzen in Zürich statt. Das Festival gibt es seit 1986, seit zwei Jahren wird es kuratiert und unter ein Motto gestellt. In diesem Jahr steht Musik aus den USA im Zentrum.

Ives wurde damit zum Vorbild der zeitgenössischen US-amerikanischen Musik. Gewiss reisten viele der jungen Komponisten aus den Vereinigten Staaten nach Europa, um hier zu studieren und sich Anregungen zu holen. Zuhause aber kamen viele von ihnen wieder vom Gelernten ab und suchten eigene Ideen zu verwirklichen. In kaum einem Land wurden so viele neuartige Kompositionssysteme und Arbeitsmethoden entwickelt wie jenseits des Atlantiks.

John Cage, der das Klavier präparierte und verfremde und der den Zufall und die Stille in sein Komponieren einbezog, ist der berühmteste von ihnen. Ein anderer Klangpionier war etwa Harry Partch (1901-1974), der ein eigenes mikrotonales Tonsystem konstruierte und dafür selber mehrere Instrumente baute, sodass seine Musik nur auf diesen spielbar ist.

Der 1931 geborene Klangkünstler Alvin Lucier wiederum setzt mit seinen Klanginstallationen ganz einfache Prozesse in Bewegung. Er macht aus Hirnströmen Musik oder bringt Räume zum Klingen.

Ein Chromelodeon in Zürich

Das sind nur zwei von vielen Beispielen. Beiden begegnet man nun in Zürich bei den Tagen für Neue Musik. Partchs Chromelodeon etwa, ein mikrotonales Harmonium, ist zu hören. Von diesem Instrument existieren nur wenige Exemplare, das Ensemble «musikFabrik Köln» hat eines nachbauen lassen. Im Kleinen Tonhallesaal wiederum wird Alvin Luciers «Music on a Long Thin Wire» installiert: Ein langer Draht wird dabei durch den Raum gespannt und zum Schwingen gebracht.

Audio
Florian Hauser im Gespräch mit Moritz Müllenbach
aus Kultur kompakt vom 14.11.2013.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 18 Sekunden.

Nachdem vor einem Jahr der Pianist Christoph Keller in Zürich die lateinamerikanische Musik ins Zentrum gestellt hat, widmet der diesjährige Festivalkurator, der Cellist Moritz Müllenbach, sein Ohrenmerk auf die USA. John Cage, Morton Feldman und die anderen Komponisten der New York School kommen dabei ebenso wenig vor wie die bekannten Vertreter der Minimal Music wie Steve Reich oder Philip Glass.

Performance mit Dampfschiff

Müllenbach möchte Komponisten vorstellen, die bislang eher selten in Zürich gespielt wurden: Stefan Wolpe etwa, der aus Berlin stammte, nach New York emigrierte und dort ein bedeutender Lehrer wurde, sowie seinen Schüler James Tenney, der immer wieder neue Klangsysteme entwarf. Alvin Curran führt am Donnerstagnachmittag im Seebecken eine riesige Performance mit Dampfschiffen auf, seine «Maritime Rites Zürich».

Kennenzulernen ist aber auch eine jüngere New Yorker Komponistengeneration mit Sam Pluta, Eric Wubbels und Victor Adán. Aus der Schweiz ist schliesslich die in San Diego wirkende Katharina Rosenberger vertreten.

Einen Höhepunkt bildet die 4. Sinfonie von Charles Ives: ein grossangelegtes Klanggemälde, in dem die ganze Philosophie dieses Komponisten steckt. David Zinman dirigiert das Tonhalle-Orchester und erfüllt sich damit einen lange gehegten Wunsch.

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