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Der Kindskopf Mozart im Film «Amadeus» (Ausschnitt)
Aus Kultur Extras vom 19.07.2013.
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Weltklasse – Sommerkonzerte Kindskopf mit Vorliebe für Fäkalhumor: War Mozart wirklich so?

Der Regisseur Miloš Forman zeigt in seinem Spielfilm «Amadeus» das Musik-Genie Mozart als vulgären Kindskopf. Wie wahrheitsgetreu ist diese Darstellung des Jahrtausend-Komponisten?

Wolfgang Amadeus Mozart ist der Inbegriff des musikalischen Genies. Lässt sich eine solche Figur realitätsgetreu auf die Bühne oder Leinwand bringen? Nun, Peter Shaffer hat es versucht mit dem Theaterstück «Amadeus», Miloš Forman machte daraus seinen berühmten Film. Die beiden zeichnen ein Bild des Jahrtausend-Komponisten, das sich durchaus an Fakten orientiert. Wahrscheinlich war Mozart tatsächlich hyperaktiv und zappelig, ein Getriebener, ein Lebemann, der den Luxus liebte. So gab er etwa Unsummen für teure Kleider aus. Doch war er wirklich so kindisch, vulgär und unbedarft wie im Film dargestellt?

Fantasievolle Vulgarität

Programmhinweis

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«Amadeus - Director's Cut» wird am 19. Juli um 18 Uhr auf SRF zwei gezeigt. Im Anschluss wird ab 21 Uhr live aus Bregenz «Die Zauberflöte» übertragen.

Liest man sich durch die riesige Briefkorrespondenz, die Mozart beispielsweise mit seiner Familie pflegte, dann lässt sich sagen: Mozart war zuweilen noch wesentlich vulgärer und kindischer. Wenn auch immer auf eine hochgradig fantasievolle, lustvolle, manchmal fast experimentelle Art und Weise. Auffällig ist dabei seine Vorliebe für Fäkalhumor. Eine Vorliebe, die er allerdings mit vielen Zeitgenossen teilte, bis hinauf in die höchsten Gesellschaftsschichten.

Mit Bestimmtheit war er aber nicht so unbedarft und naiv wie der Film suggeriert. Mozart hatte eine ausgesprochen ernsthafte Seite, bereits als Kind. Diese war so stark ausgeprägt, dass Vater Leopold in einem Brief später schrieb: «Ja du warest selbst in deiner Gesichtsbildung so ernsthaft, dass einsichtsvolle Personen in verschiedenen Ländern wegen dem zu frühe aufkeimenden Talent und deiner immer ernsthaft nachdenkenden Gesichtsbildung für dein langes Leben besorgt waren». Kein Witz – auch das war Mozart: Ein intellektuell-kritischer Geist, der mehrere Fremdsprachen beherrschte und sich bereits früh mit Literatur, Philosophie und Kunst beschäftigte.

Infantiles Genie?

Will man also dem Menschen Mozart gerecht werden, müsste man ein wesentlich differenzierteres Bild malen, als es Miloš Forman getan hat. Nur: Hätte der Film als Ganzes davon profitiert? Wahrscheinlich nicht. Er wäre einer seiner grossen Stärken beraubt worden: Des Kontrastes zwischen höchsten musikalischen Sphären – Salieri hört darin die Stimme Gottes – und einer auf die Spitze getriebenen Menschlichkeit, die sich in Mozarts kindisch-unreifem Gebaren äussert.

Kurz gesagt: Mozart war mit Bestimmtheit eine komplexe, vielschichtige und widersprüchliche Persönlichkeit – und dieser wird der Film nicht gerecht. Dennoch kommt Mozart in Formans Film nicht wirklich schlecht weg und die Wirkung seiner Musik steigert sich: Mozart, das unfassbare Genie, wird durch diesen Film greifbar. Wenn jemand posthum tatsächlich Grund hätte, sich zu beklagen, dann Antonio Salieri. Bei dessen Darstellung stimmt nämlich wenig bis gar nichts.

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