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Weltklasse – Sommerkonzerte Sängerin Yvonne Naef über Bühnenkunst und Bogenschuss

Schweizerinnen sind rar auf den internationalen Konzertbühnen. Eine Ausnahme ist die Schaffhauser Mezzosopranistin Yvonne Naef. Beim Kofferpacken für ihre Japantournee erzählt sie, warum sie Mikrofone nicht mag, Liveerlebnisse vorzieht und was Singen mit japanischem Bogenschiessen gemein hat.

Vorbereitungen für die Japan-Tournee: In ihrer Zürcher Wohnung packt die umtriebige Ostschweizerin ihre Koffer: «Dieses Jahr will ich in Tokyo unbedingt Unterricht im Bogenschiessen nehmen, ich darf also Sportklamotten nicht vergessen», erzählt sie am Telefon. Als sie bei ihrer ersten Japanreise die grossen geschwungenen Bambusbögen sah, wurde sie neugierig auf «Kyudo», einer japanischen Form des Bogenschiessens. In einem Crashkurs ist die traditionelle Kriegskunst nicht zu lernen – wie beim Singen bedeutet der Weg zur Perfektion jahrelange Übung. Naef durfte bei einem Training zuschauen und entdeckte weitere Parallelen zu ihrem Job: «Auch bei mir kommt es vor allem auf die innere Spannung an. Und erst, wenn ich meinen Willen beweise, komme ich in den Kreis der Meister.»

Zwischen den Lagen

Zur Person

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Yvonne Naef gehört zu den wenigen international etablierten Sängerinnen der Schweiz. Sie debütierte 1990 in St. Gallen in der Rolle der «Cenerentola» in der gleichnamigen Oper von Rossini.

Im Juni 2013 sang Yvonne Naef am Eröffnungskonzert der Zürcher Festspiele. SRF 2 Kultur strahlt das Konzert am 22. Juli aus.

Zürcher Festspiele: Faust alt und neu

Bei Meistern wie John Eliot Gardiner, Sir Simon Rattle oder Carlo Rizzi hat sich Yvonne Naef mit anspruchsvollen und komplexen Rollen wie der Ariane in Paul Dukas «Ariane et Barbe-bleue», der Fricka in Wagners «Walküre» oder der Azucena in Verdis «Trovatore» einen Namen gemacht.

Ihre Stimme ist kraftvoll, satt und warm, ihr Tonumfang reicht von den Alttiefen bis in den Sopran – damit ist sie ein «dramatischer Mezzosopran». Sie schätzt diese Stimmlage dazwischen: «Zwar sind die Rollen für Mezzosopran eingeschränkt, und ich stehe oft im Schatten der schillernden Sopranistinnen, aber die stilistische Vielfalt ist gewaltig. Es ist eine Wonne, dass ich mit meiner Stimme von Monteverdi bis Boulez unterwegs sein kann.»

Naef bewegt sich nicht nur quer durch die Musikgeschichte, sondern auch quer durch die Gattungen. An Solostücken mit Orchester gefällt ihr die direkte Kommunikation mit den Musikerinnen und dem Dirigenten, an der Oper das mehrdimensionale Erlebnis.

Plädoyer für das Liveerlebnis

Gerade weil die Oper verschiedene Sinne anspricht, zählt für Naef nur der Livemoment. Wie beim «Kyudo» ist ein Opernabend ein Schuss, vergänglich und nicht reproduzierbar. Diese Haltung zeigt sich an ihrer verhältnismässig kurzen Diskographie. Gern regt sie sich auf über Mikrophone, die den Klang verflachen, über herzlose Liveübertragungen in die Kinosäle, über schmerzende Ton-Schnitte bei Fernsehaufnahmen. «Die Zuschauer sehen immer nur einen Ausschnitt. Selbst wenn ich am anderen Ende der Bühne stehe, reagiere ich auf meinen Kollegen, der gerade seinen Part singt. Bei Mitschnitten gehen all diese Feinheiten verloren.»

Naef ist bei ihrem Lieblingsthema angelangt und beginnt zu sprudeln. Oper im Fernsehen hat für sie noch einen anderen Haken: der mediale Hype beschleunige die Karrieren von Opernsängerinnen und mache sie viel zu früh zu Stars. Eine Stimme brauche aber Zeit um sich zu entwickeln.

Im Adagio zum Erfolg

Ihre Stimme hatte diese Zeit, denn ihre Karriere verlief in gemächlichem Tempo. Vielleicht, weil Naefs Mutter wollte, dass sie etwas «Vernünftiges» lernt: nicht Primadonna, sondern Primarlehrerin sollte sie werden. In Zürich studierte Naef Literatur, Musikwissenschaft und Gesang, erst mit Anfang 30 feierte sie in an der Oper St. Gallen ihr Debut. Nach und nach kamen die Anfragen der grossen Häuser, die Opéra de Monte Carlo, die Mailänder Scala, die Metropolitan Opera in New York. Naef gewöhnte sich an das Leben aus dem Koffer. Und die Sportbekleidung fürs Bogenschiessen? «Ich finde jetzt nichts Passendes, ich kaufe mir in Japan einfach einen Kimono.»

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